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Georg Graf von Wallwitz Ungemach im Anflug – welchen Schaden externe Schocks anrichten

Dr. Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
Dr. Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
In der Bibel werden Katastrophen immer von außen ausgelöst, etwa durch eine Flut oder den Überfall eines wilden ungläubigen Volkes. Das hat die alttestamentarische Eschatologie mit derjenigen anderer Völker und Zeiten gemein: Sie kennen keine revolutionären Bewegungen. Dem Volk geht es gut, es hat keinen Grund an seinem Auserwähltsein zu zweifeln. Bis sich herausstellt, dass Gott eben nicht nur gut, sondern auch gerecht ist. Und diese Gerechtigkeit kann sehr schmerzhaft sein, am Tag des Zorns. Rücksichtslos bestraft sie das Böse und stellt das ursprüngliche Gleichgewicht wieder her.

Der bibelfeste Spekulant ist sich der bedrohlichen Analogie zur Börse durchaus bewusst. Denn auch die Märkte kennen das wohlige Gefühl des Auserwähltseins, wenn alles passt und scheinbar nichts schief gehen kann, wenn der Mut belohnt und die Trägheit bestraft wird. Und die Märkte kennen ebenfalls nicht die Revolution von innen. Um einen Tag des Zorns zu erleben, benötigen sie ein äußeres Ereignis, einen Anstoß, auf den irgendwie alle gewartet haben, auf den aber kaum einer vorbereitet war: Einen Brexit, eine Schuldenkrise in China, eine zu schwungvolle Zinserhöhung in den USA. (Abgesehen davon kann das Unvorhersehbare immer passieren, da ist der Phantasie keine Grenze gesetzt, zum Beispiel könnten sich nordkoreanische Cyber-Terroristen in ein japanisches Kernkraftwerk hacken und eine Kernschmelze auslösen.)

Was schief gehen kann

Zum Brexit – die Wahrscheinlichkeit hierfür liegt offiziell (das heißt bei den englischen Wettbüros) bei etwa einem Drittel und dieses Drittel ist in den Märkten bereits eingepreist. Das Pfund und britische Wertpapiere hatten keine gute Phase seit das Referendum angekündigt wurde. Nach außen hin mögen viele Engländer viel von Nationalstolz und Würde reden, aber wenn es dann am Tag der Abstimmung konkret darum geht, sich für das Unbekannte, für die Unsicherheit, für die Revolution zu entscheiden, so fehlt ihnen in der Mehrheit wohl das Temperament, das dafür nötig ist. Die Griechen sind ein Volk, welches Europa gerne ein „OXI“ entgegenschleudert, aber den Engländern ist das am Ende zu laut.

Die Schuldenkrise in China hat hingegen ein anderes Kaliber. Hier wird es früher oder später zu einem Knall kommen, der auch an den westlichen Börsen hör- und spürbar sein wird. Immerhin hat das Reich der Mitte heute schon das größte Bankensystem der Welt und einen Verschuldungsgrad, der sich unaufhaltsam an das griechische Niveau annähert. Und wo zu schnell zu viel Kredit hineingesteckt wird, kommt meist etwas Unansehnliches heraus, um es zurückhaltend zu formulieren. Hinzu kommt eine jämmerliche Profitabilität bei einem großen Teil der chinesischen Unternehmen, eine überbewertete Währung und eine Regierung, die mehr mit dem eigenen Machterhalt beschäftigt ist, als mit ernstzunehmenden wirtschaftlichen Reformen. Aber auch dieses Politbüro wird, wie schon so manches vor ihm, feststellen, dass die Gesetze der Ökonomie nicht leicht zu kommandieren sind und sich auch nicht durch Drohungen einschüchtern lassen.

Beim Thema Brexit ist das Timing sicher und der wahrscheinliche Schaden gering. Im Fall der Konfrontation der chinesischen Politik mit der wirtschaftlichen Realität ist es gerade umgekehrt: Der wahrscheinliche Schaden wird sehr groß sein, das Timing ist aber sehr unsicher: Es kann noch jahrelang so weiter gehen.

Der dritte externe Schock, der immer für einen Unfall gut ist, ist eine Zinserhöhungsrunde. Derzeit sind nur die USA in diesem Modus, aber die Zentralbank geht dabei derart vorsichtig vor, dass das Gegenteil von dem passiert, was in den Lehrbüchern steht: Die Aktienmärkte sind fast auf einem Rekordstand und der Dollar fällt. Ein Schock wäre es also allenfalls, wenn Europäer oder Japaner die Zinsen erhöhen würden – weil es nicht einmal zur Diskussion steht. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier oder in Fernost bis Ende nächsten Jahres die Zinsen steigen, liegt wohl unter der Wahrnehmungsschwelle von 5 Prozent.

Solange die finanziellen Äquivalente der biblischen Plagen also entweder unwahrscheinlich oder weit weg sind, werden sich die Märkte schon irgendwie durchwursteln, ohne Enthusiasmus, aber auch ohne tiefe oder lange Einbrüche. Wirklich froh ist diese Botschaft nicht, aber mehr hat die Börse derzeit nicht zu bieten.

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