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Georg Graf von Wallwitz Vermögensverwalter ruft Bärenmarkt an Aktienmärkten aus

Dr. Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
Dr. Georg Graf von Wallwitz, Fondsmanager der Phaidros Funds und Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
Der Zusammenhang zwischen Börse und Meinungen ist eng. Manchmal ist er auch zu eng, wenn die Anleger händeringend eine Geschichte suchen, um das zurechtfertigen, was sie tun. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Aktienmärkte, wie seit heute früh, in einem offiziellen Bärenmarkt sind. Zu Jahresanfang sind die Aktienmärkte gefallen, aus Furcht, China könnte den Renminbi unkontrolliert abwerten. Dann stellte sich heraus, dass die Abwertung recht gering war. Aber dann kam die Furcht auf, die Ölpreise könnten ins Nichts fallen und die Aktienmärkte stürzten weiter ab. Allerdings stellte sich heraus, dass dies für den Konsumenten gar nichtschlecht war und dass die Ölpreise seit Mitte Januar nicht mehr fielen. Aber dann kam die Furcht auf, die USA könnten in eine Rezession geraten und die Aktienmärkte stürzten weiter ab.

Allerdings stellte sich heraus, dass es der Wirtschaft in der entwickelten Welt einigermaßen gut ging und dass die amerikanische Zentralbank sich keineswegs genötigt sah, die Zinsen zu senken. Aber dann kam die Furcht auf, den Zentralbankenkönnten die Mittel ausgehen, sich gegen eine Deflationsspirale zu stemmen und die Aktienmärkte stürzten weiter ab. Allerdings stellte sich heraus, dass die Zentralbanken noch lange nicht am Ende waren (Japan drückte die 10-jährigen Zinsen unter die Nulllinie, die Fed ließ diesen Schritt offen). Aber dann kam die Furcht auf, das Bankensystem könnte mit den niedrigen Zinsen nicht umgehen und die Aktienmärkte stürzten weiter ab. Allerdings stellte sich heraus, dass es den Banken weder gut noch schlecht geht, ihnen aber heute ein erheblich größerer Kapitalpuffer zur Verfügung steht, als noch vor wenigen Jahren. So hat die Commerzbank die Dividendenzahlungen an die Aktionäre wieder aufgenommen und der Chef von JPMorgan hat den Absturz genutzt, um für 26 Millionen Dollar Aktien des eigenen Instituts zu kaufen.

Der Kursverfall ist in diesem Sinne schwer zu begreifen, keine Begründung bleibt ihm dauerhaft erhalten. Es ist, als handle es sich um einen Krach ohne Eigenschaften. Darüber sind die Kurse auf ein Niveau gefallen, welches mit einer deutlichen Rezession konsistent ist. Der Dax ist von seinem Höchstkurs im April2015 um knapp 30% gefallen, seit Jahresanfang sind es knapp 20%. Damit werden die für dieses Jahr geschätzten Gewinne etwa 11-mal gezahlt (KGV) und die Dividendenrendite liegt bei 3,8%. Geht man davon aus, dass die Gewinne, wie in einer ordentlichen Rezession üblich, um 20% fallen, haben wir ein KGV von 13,7und eine hohe Dividendenrendite, denn Dividenden werden nicht leicht gekürzt.

Der langjährige Durchschnitt des KGV liegt etwa bei 12,5. Die Bewertung des DAX liegt damit aktuell unter dem Durchschnitt und die Dividendenrendite deutlichdarüber. Die Aktienmärkte sind also etwa so bewertet, wie es in einer Rezession zu erwarten wäre. Aber sind wir in einer Rezession?

Die Aktienkurse sagen ja, die üblichen Indikatoren sagen nein. Der Geschäftsklimaindex des IFO-Instituts ist zurückgegangen, allerdings fast ausschließlich aufgrund der Erwartungen - die gegenwärtigen Bedingungen bleiben sehr gut. In den USA sieht es ähnlich aus: Produktion und Auftragseingänge sind beim Einkaufsmanager-Index (für das zyklische verarbeitende Gewerbe) sehr solide, nur der Export stottert aufgrund des starken Dollars. Die Unternehmensgewinne, soweit sie schon abschließend für das Jahr 2015 berichtet wurden, sind im Rohstoffbereich miserabel, aber der Rest der Wirtschaft verzeichnet leicht steigende Gewinne (zuletzt hat Adidas von guten Geschäften in den USA und China berichtet). Der Ausblick auf das nächste Jahr ist ebenfalls nicht besonders schlecht und hängt, wie immer, von der Branche ab. Schließlich bringt der makroökonomische Blick auf die Wirtschaft auch kein anderes Bild: Der GDPnow Indikator der Atlanta Fed sieht die gegenwärtigen Bedingungen als konsistent mit einem Wachstum von 2,5% p.a. an. Aus den Fakten lässt sich also keine Rezession herauslesen.

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