LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in USALesedauer: 5 Minuten

Georg von Wallwitz „Eine gute Idee, sich an höhere Volatilität zu gewöhnen“

Seite 2 / 2

Wie ordnen wir das ein?

Es ist immer hilfreich, sich den Kontext des Kursverfalls anzusehen. Er hat, erstens, nichts damit zu tun, dass es der Konjunktur oder den zu erwartenden Unternehmensgewinnen schlechter geht. Ginge es der Wirtschaft schlecht, müssten die Zinsen fallen, anstatt zu steigen wie in den vergangenen Monaten. Die reale Wirtschaft spielt, wie in jeder Übertreibungsphase, auch diesmal keine Rolle. Und dieser geht es gut, was sich zunehmend auch in höheren Löhnen ausdrückt. Was sollte man daran nicht mögen?

Zweitens handelt es sich, auch wenn der Aktienmarkt in den nächsten Wochen und Monaten schwach bleiben sollte (was ich genauso wenig voraussagen kann wie etwa 100% der übrigen Marktteilnehmer), nicht um eine Krise des Finanzsystems. Es werden sich eine Reihe von Volatilitätsprodukten in Luft auflösen, eine gewisse Anzahl an Hedge-Fonds mag Pleite machen. Aber der Ruin einiger Anleger ist nichts Ungewöhnliches oder Beklagenswertes und die Banken sind davon ebenso wenig betroffen wie von der Kernschmelze beim Bitcoin.

Drittens lässt sich zeigen, dass an den Zinsmärkten eher eine Normalisierung der Verhältnisse gespielt wird als die Ankündigung einer bemerkenswerten Inflation. Das Risiko einer Deflation ist heute (zumindest in den USA, und zunehmend auch in Europa) nicht mehr signifikant. Von einer Rückkehr zu den Verhältnissen in den 70er- und 80er-Jahren, als das Wachstum und die Inflation strukturell hoch waren, kann aber derzeit keine Rede sein. Genau genommen ist ein solches Szenario extrem unwahrscheinlich

Was tun?

Zunächst ist es sicher eine gute Idee, sich an die höhere Volatilität zu gewöhnen. Im Jahr 2017 wurde am amerikanischen Aktienmarkt nicht ein einziger Kursausschlag von mehr als 2% registriert. 2011 war dies an 21 Handelstagen der Fall. Die Wahrheit ist, dass Rückschläge in der Höhe von 10% zu jedem einigermaßen normalen Aktienjahr gehören. Die jüngere Vergangenheit mag uns besser im Gedächtnis haften, aber wir sollten sie nicht für eine historische Norm halten.

In der Hitze des Kurssturzes hilft es, sich zu vergegenwärtigen, dass die Unternehmen, die in den großen Indices (und im eigenen Fonds) enthalten sind, auf soliden Füssen stehen. Firmen wie Apple, BASF, Henkel oder SAP haben nach wie vor ein funktionierendes Geschäftsmodell und ein Produkt, welches sich großer Nachfrage erfreut. Wer solche Aktien hat, weiß auch, dass er sich mittelfristig wenig Sorgen machen muss. Die mittlere und lange Frist sind aber die einzigen Fristen, die an der Börse Sinn machen. Nur wer diese Perspektive einnimmt, kann durch die kurzfristigen Schwankungen hindurchblicken. Und nur wer einen klaren Kopf behält, wird auf Dauer mit Aktien Geld verdienen.

Wir tun also zunächst einmal nichts. Die Kurse mögen noch ein stückweit fallen, je nachdem, wie viele Fonds ihre Positionen noch liquidieren müssen. Aber dann kommen irgendwann die „Value“-Investoren in den Markt, die Unternehmen nach ihrer wirtschaftlichen Stärke und Substanz beurteilen und eine günstige Kaufgelegenheit wittern. Denn so lange die Zinsen absolut niedrig bleiben (was sie unter 4% in den USA und unter 3% in Europa zweifellos sind) und die Konjunktur gut läuft, gibt es keinen Grund, Aktien nicht mehr zu mögen.

Der Markt wird also wieder zu den Fundamentaldaten der Zinsen und der wirtschaftlichen Entwicklung zurückfinden. Denn nur eine vollkommene Welt kann, wie Leibniz bereits bemerkte, nach ihren eigenen Gesetzen existieren. Vollkommen sind die Märkte aber jedenfalls nicht.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion