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Georg von Wallwitz: „Wir haben einen Draghi-Put“

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Europa hat ein inneres Ungleichgewicht

Lateineuropa hat seit der Einführung des Euro kaum Produktivitätsfortschritte gemacht, während der Norden an sich gearbeitet hat. In Südeuropa sind die Löhne und Preise kräftig gestiegen, obwohl nicht günstiger produziert wurde und eigentlich nicht mehr zu verteilen war. Im Norden das Gegenteil. Nun kann Lateineuropa nicht mehr mit dem Norden konkurrieren.

Früher hätte man die Währung abgewertet und wäre so billiger geworden. Das geht nun nicht mehr. Die einzig zur Verfügung stehende Lösung, die nun keiner hören will, ist recht einfach: Lateineuropa braucht etwas Deflation und Nordeuropa braucht etwas Inflation.

Europa hat keinen Lender of Last Resort

Die USA und Großbritannien stehen nicht besser da als Europa, haben aber dennoch so niedrige Zinsen wie noch nie in ihrer Geschichte. Das liegt daran, dass sie eine Zentralbank haben, die sicherstellen kann, dass die Schulden (jedenfalls nominal) bedient werden. Lateineuropäische Regierungen können nicht zur Europäischen Zentralbank (EZB) gehen und dort den Kauf ihrer Anleihen (das heißt die Auslösung ihrer Gläubiger) durchsetzen.

Daher sind deren Gläubiger nun nervös. Sie befürchten, dass diese Länder sich retten, indem sie sich ihre eigene Währung schaffen und die Gläubiger dann mit schlechtem Geld bedienen („Konvertibilitätsrisiko“).

Einen rettenden Kreditgeber letzter Instanz in der Eurozone kann es aber nur geben, wenn eine Fiskalunion besteht, denn andernfalls hätten die Schuldner den Anreiz, sich immer weiter zu verschulden und das Gesamtgefüge zum Einsturz zu bringen. Die Lösung ist also klar, derzeit aber politisch unrealistisch: Europa braucht eine Fiskalunion.

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Europa hat ein Wettbewerbsproblem

Solange es in Europa um das Beschützen von Partikularinteressen und Privilegien geht, wird der Kontinent nicht genügend wachsen, um seinen Lebensstandard zu erhalten. Rente mit 60, erbliche Taxifahrerlizenzen, käufliche Notariate und Arztpraxen, aufgeblähte Verwaltungen und sonstige wohlgemeinte Vorkehrungen zur Verhinderung von Wettbewerb sind schön für alle, die ein Plätzchen in diesem System haben, aber nichts für die Steigerung des allgemeinen Wohlstandes.

So lange Europa sich sein System von Regulierung zu Gunsten von Insidern leistet, wird es die in der Vergangenheit angehäuften Schulden nicht bezahlen können.

In dieser einfachen Situation hat nun die EZB gehandelt. Mario Draghi, deren Chef, hat angekündigt, Staatsanleihen von den Ländern zu kaufen, die sich dem harschen Reformprogramm des Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) oder des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterwerfen. Damit will er dreierlei erreichen:

Erstens gibt es nun für alle Länder, die ihr Wettbewerbsproblem angehen, einen Kreditgeber letzter Instanz. Damit übernimmt die EZB etwas von der Rolle, die weltweit der IWF hat.

Zweitens umgeht die EZB durch diesen Zug den deutschen Widerstand gegen das „Hebeln“ des ESM. Der Rettungsfonds steht in dem Verdacht, im Zweifelsfalle nicht genug Geld zu haben, um Lateineuropa zu retten. Mit der EZB an seiner Seite ist dieses Problem aber gelöst. Der ESM, der nächsten Mittwoch vom deutschen Verfassungsgericht durchgewunken wird, wird kein Glaubwürdigkeitsproblem haben.

Drittens hat Draghi klar gemacht, dass der Euro nicht an seiner Zentralbank scheitern wird. Sie wird alles unternehmen, was in ihrer Macht steht, um Lateineuropa im Club zu behalten. Das sollte die Zinsen für Lateineuropa deutlich senken, denn darin sind derzeit noch erhebliche Risikoprämien für den Fall eines Euro-Austritts enthalten.

Kurz, wir haben jetzt einen Draghi-Put.

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