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Große Expertendiskussion „Wir müssen unsere Dienstleistung erklären“

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Kommt hinzu, dass das ganze Zinsszenario ja künstlich gesteuert ist, da die Politik so einen großen Einfluss nimmt.

Erdmann: Natürlich sind die Märkte stark von den politischen Maßnahmen und auch von denen der EZB abhängig. Die daraus resultierende Verunsicherung bemerke ich auch in den Gesprächen mit meinen Kunden: Von diesen haben viele in den ersten zwei Monaten dieses Jahres schon 8 bis 10 Prozent Plus gemacht. Doch so mancher kann sich nicht wirklich darüber freuen, weil er diesen Wertzuwachs als eher virtuell ansieht. Dann antworte ich: Kaufen Sie sich davon eine Ferienwohnung, ein neues Auto oder sanieren Sie das Dach Ihres Hauses. Dann wird die Sache real. Andererseits: Wenn alles Kaufkraft wird, was irgendwo in irgendwelchen Büchern oder auf Konten steht, haben wir dann überhaupt genug Güter zur Verfügung? Wahrscheinlich nicht.

Glow: Die Konsequenz ist meiner Meinung nach recht simpel. Wenn alles in Kaufkraft umgewandelt werden soll, gibt es nur noch Verkäufer. Und was die Kur-se dann machen, wissen wir. Der Käu-fer bleibt in diesem Fall auf der Strecke, denn den Letzten beißen bekanntermaßen die Hunde.

Machts: Ich denke, wir befinden uns inmitten eines Experiments. Denn das, was derzeit die Notenbanken und speziell die EZB umsetzen, hat noch niemand vorher getan. Wir waren noch nie in der jüngeren Geschichte in einem Marktumfeld, das derart niedrige Zinsen und Renditen bei Staatsanleihen aus den Industrienationen aufwies. Ich würde davor warnen, heute genau zu prognostizieren, wo das endet. Ich glaube, das kann derzeit niemand.

Mosel: Die europäische Politik wird sich jedenfalls nicht mehr aus den Märkten zurückziehen. Sie hat gelernt, dass sie große Macht hat – ob das die Teilverstaatlichung der Commerzbank war oder die aktuelle Einflussnahme auf die EZB, wir können das im täglichen Geschäft beobachten. Diese Chance wird sich die Politik nicht mehr entgehen lassen. Und ein paar weitere Untiefen hat die politische Lage in Europa ja noch auf Lager: Wir werden in den kommenden zwei Jahren hier eine Menge Wahlen haben. Mal sehen, was es in Spanien für Diskussionen gibt, wenn Podemos mit in die Regierung kommt oder Frau Le Pen mit ihrer Front National in Frankreich immer stärker wird.

Warum kommen die USA immer schneller aus dem Schlamassel?

Kleis: Die Vereinigten Staaten sind im Gegensatz zur Euro-Zone eine politisch sehr gefestigte Organisation und haben Institutionen, die handlungsfähig sind. Wenn der komplette Privatsektor spart, so empfehlen viele Volkswirte, muss der Staat einspringen. Das war in den USA möglich, aber weniger in der Euro-Zone angesichts der massiven Vertrauenskrise vor allem gegenüber den Südstaaten. Die USA verzeichnen seit zwei, drei Jahren wieder Wachstumsraten von 2 Prozent und darüber. Auch die Kreditvergabe im Privatsektor zieht wieder an. Da hinkt die Euro-Zone um einige Jahre hinterher. Dennoch sollte man hier nicht alles schwarzmalen: Die Hypothekenzinsen sind in Deutschland auf einem Niveau, das wir nie erahnt hätten, und die Unternehmen können sich zu extrem günstigen Sätzen refinanzieren. Das sind Dinge, die über die Zeit hinweg auch der Euro-Zone sehr helfen sollten.

Nun ist aber der sogenannte Home-Bias bei deutschen Anlegern sehr stark: Investiert wird vor allem vor der Haustür. Weniger in den USA, wo der Aufschwung heute schon stattfindet.

Kaesmeier: Da sollten wir differenzieren. Deutschland ist Export-Weltmeister. Wenn Sie im Dax investiert sind, ist der Home-Bias-Effekt also weniger schlimm. Mit deutschen Aktienwerten profitieren wir sozusagen direkt auch vom Potenzial der USA und der Schwellenländer. Mir würde es schon reichen, wenn wir die Deutschen von deutschen Aktien überzeugen könnten. Aber es scheitert ja selbst daran.

Kleis: Das kann man auch etwas anders sehen. Wenn uns Anleger fragen, wo sie in Aktien investieren sollen, und sie gleichzeitig keine dezidierte Präferenz mitbringen, raten wir, sich so breit wie möglich zu engagieren. Und man darf auch nicht vergessen: Der Dax ist deutlich volatiler als ein weltweiter Aktienindex. Wenn mich Wertschwankungen im Depot beunruhigen, bin ich mit globalen Aktien besser aufgehoben. Zudem gleicht sich das Thema Währung bei Aktien relativ gut aus.

Glow: Da mögen Sie in vielen Fällen sicherlich recht haben. Aber wenn Sie sich die Dollar-Entwicklung über die vergangenen 40 Jahre ansehen, würde ich das nicht so ohne Weiteres unterschreiben. Wir hatten das Hoch mit knapp über 1,40 Euro markiert, warum können wir nicht wieder bei 0,80 Euro landen? Doch ich glaube auch, dass es relativ wichtig ist, dass zumindest der Retail-Anleger in derjenigen Währung denkt, in der er seine Verbindlichkeiten und sein Leben finanzieren muss. Entsprechend ist eine währungsgehedgte Fondstranche sinnvoll. Ich verzichte dabei eventuell auf ein bisschen Rendite, aber ich erspare mir auch eine ganze Menge Volatilität. Das lässt den Anleger am Ende des Tages ruhiger schlafen.
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