LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Lesedauer: 10 Minuten

Großer Immobilien-Roundtable Welche Immobilien-Segmente sind jetzt noch attraktiv?

Seite 2 / 3


DAS INVESTMENT.com: Warum kaufen Investoren nicht stärker im Ausland?

Borchers: Die Immobilie wird teilweise noch zu emotional gesehen. Und häufig wird ein zu hoher Vermögensanteil in ein Objekt investiert. Sie würden ja nie auf die Idee kommen, sich für 50 Prozent oder mehr Ihres Vermögens eine BASF-Aktie zu einem bestimmten Stichtag zu kaufen. Immobilien werden aber weit über das eigentliche Vermögen hinaus gekauft und finanziert, Streuung findet nicht statt. Man sollte Immobilien mehr als Renditebringer sehen und entsprechend kleinteiliger investieren. Dann kann man auch in begrenzten Vermögens- und Zeiteinheiten nach Asien oder Nordamerika gehen und treibt sich nicht nur in überteuerten Core-Märkten herum.

DAS INVESTMENT.com: Welche Segmente sind derzeit grundsätzlich attraktiv?

Voß: Die Renditekompression ist tendenziell in allen Nutzungsarten schon sehr weit fortgeschritten. Ich sehe hier keine großen Unterschiede. Wir empfehlen unseren Investoren daher, ihren Portfolios auch Immobilien beizumischen, die Value-Add-Potenzial haben oder zu Marktnischen gehören, etwa Parkhäuser, in denen noch nicht so viele Investoren unterwegs sind.

DAS INVESTMENT.com: Was ist mit Wohnen oder Logistik?

Brandes: Dort hat man ein operatives beziehungsweise Betreiberrisiko. Ein solches Investment kann als Beimischung interessant sein. Als Kerninvestment für eine Portfoliostrategie eines institutionellen Anlegers halte ich es nicht für geeignet.

Kubatzki: Hinzu kommt, dass die Losgrößen relativ klein sind. Und der Markt ist sehr regional. Das macht die Analyse aufwendig.

Herm: Zum Thema Logistik: Es ist schön, dass DHL sehr stark an die Städte herangeht. Aber die Logistikkonzepte wandeln sich enorm schnell. Sieht das technische Umfeld für Mikrologistik in fünf bis zehn Jahren komplett anders aus, sind diese Immobilien einem sehr starken Alterungsprozess unterworfen. Besser wäre es, eine Logistik-Aktie oder einen Corporate Bond zu kaufen, um am Logistik-Trend der „Parcel Delivery Centers“ teilzunehmen.

Kubatzki: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir erleben eine gewaltige Umwälzung in der Immobilienwirtschaft, auch was die Gebäudeplanung betrifft. Die Flexibilität in der Nutzung wird immer wichtiger. Der Finanzsektor beispielsweise gibt derzeit viele Büroflächen ab, die in der Form auf wenig Nachfrage treffen. Das Problem ist: Wo investiere ich heute, wohl wissend, dass ich in zehn Jahren vielleicht kein marktgängiges Objekt mehr habe. Von Werterhalt sind wir dann weit entfernt. DAS INVESTMENT.com: Wie muss eine zukunftsfähige Immobilie aussehen?

Borchers: Die Frage ist, wie sich das Nutzerverhalten und die Anforderungen der nächsten Generationen an das eigene Umfeld ändern. Das sind eher logistische Fragen, die in alle Bereiche ausstrahlen.

Beispiel Studenten: Was früher das WG-Zimmer war, ist heute eine Art Hotelwohnen in möblierten Apartments. Alles soll im Umfeld ohne Auto erreichbar sein, Online-Bestellungen müssen innerhalb von 24 Stunden zu Hause angekommen sein.

Den in zehn Jahren gefragten Immobilien-Typ, die dann notwendigen Nutzarten kann man heute nur grob beschreiben. Dafür wandelt sich das Umfeld zu schnell und zu unvorhersehbar.

Voß: Wichtig ist darum die Lage der Immobilien, weil sie dauerhafte Vorteile bringen kann. Beispiel Logistik: Wenn die Hallen stadtnah gelegen sind, können sie langfristig leichter umgenutzt werden. Auch für Studentenwohnheime in der City gilt das.

DAS INVESTMENT.com: Sinkende Nachfrage, sinkende Nutzungsdauer: Ist das klassische Core-Büro überhaupt noch attraktiv?

Borchers: Nein, ich finde Büroobjekte in guten Lagen momentan nur noch begrenzt attraktiv. Erstens wissen wir nicht, ob die hohe Liquidität in den Märkten nicht doch irgendwann stark zurückgeht und wie viel Arbeitsplätze und damit Bürofläche das kosten wird.

Und zweitens: Wenn man sieht, wo auf der Renditekurve investiert wird und welche Restnutzungsdauern dafür angenommen werden, dann herrscht schon ein sehr hohes Preisniveau. Wir müssen heute davon ausgehen, dass eine Büroimmobilie alle 20 bis 30 Jahre revitalisiert werden muss. Das ist teilweise nicht eingepreist.

Voß:
Vom Rendite-Risiko-Profi l her sehe ich das auf lange Sicht genauso. Büros unterliegen den ausgeprägtestenMarktzyklen, und der Aufschwung ist jetzt schon relativ weit fortgeschritten. Darum weist der Bürosektor auch im Vergleich zu anderen Nutzungsarten ein deutlich höheres Rückschlagsrisiko auf.

Rissel: Im Bürosektor muss man surfen können, um in jedem Zyklus zumindest die halbe Welle mitzunehmen. Auch im Segment Wohnen werden wir stärkere Zyklen sehen. Wenn man sich ansieht, welche Rendite die Leute teilweise akzeptiert haben, kann das nicht gut gehen.

DAS INVESTMENT.com:
Ist Value-Add das neue Core?

Borchers: Kaum einer der großen Asset-Manager beherrscht Value-Add-Investitionen. Im Übrigen auch nicht Core über verschiedene Segmente europaweit.

Wer also indirekt Value Add investieren will, muss nach kleinen Nischenanbietern im Markt suchen. Das wiederum kann mit Family Offices funktionieren, in der Regel aber nicht bei institutionellen Investoren.

Bevor ich überhaupt in andere Risikoklassen investieren kann, stellt sich generell die Frage, mit wem ich Value Add investieren kann.

Rissel:
Aber Core kann hier jeder am Tisch, Value Add keiner. Weil man dafür ein ganz anderes Know-how braucht. Value Add ist süßes Gift. Dafür muss es eine Risikoprämie geben. Das kann ziemlich bitter ausgehen.

Ich bin mir nicht so sicher, dass das immer aufgeht. Man muss jemanden haben, der sich auskennt und der die Zeit mitbringt.

Voß: Ohne Zweifel sind Value-Add-Investments mit Risiken verbunden. Aber sie weisen auch gewisse Vorteile im Vergleich zu den Core-Objekten auf, bei denen die Preiserholung schon sehr weit fortgeschritten ist. Wenn es zu einem Markteinbruch kommt, werden Core-Immobilien stark davon getroffen.

Bei Value-Add-Investments kann der Effekt zum Teil durch Maßnahmen des aktiven Managements, beispielsweise die Sanierung oder Vermietung leer stehender Teilflächen, ausgeglichen werden. Die Wertentwicklung basiert im Bereich Value Add, anders als bei Core-Investments, auf zwei verschiedenen Säulen.

DAS INVESTMENT.com: No risk, no fun – sollte ich künft ig auch bei Immobilien einen Totalverlust nicht ausschließen?

Hickl: Nein, wenn Value Add nicht funktioniert, ist man eher im Bereich von 2 bis 3 Prozent Rendite und verliert nicht gleich alles.

DAS INVESTMENT.com: Müssen Immobilien-Investoren flexibler werden?

Rissel: Ja. Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen: Das langfristige sichere Immobilien-Investment gibt es nicht mehr. Es gab in der letzten Krise nur zwei Asset-Klassen, die fast nichts abbekommen haben. Das war die Fußgängerzone in guter Lage, nicht überall, aber durchaus auch in kleineren Städten wie Bonn oder Nürnberg. Und kleinere Gewerbeparks. Da gehe ich nicht auf Zyklen, habe keine Wertänderungsrenditen, aber gute Cashflows.

Kubatzki:
Die Erkenntnis sollte sich durchsetzen, dass bei jeder Immobilie in periodischen Abständen Investitionen notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Herm: Die Amerikaner etwa können mit den langen Restnutzungsdauern in Europa überhaupt nichts anfangen. Unter einer Anfangsrendite von 7 Prozent steigen sie nicht ein. Nach zehn Jahren wollen sie mit der Immobilie durch sein und wieder alle Optionen haben. Deshalb kaufen US-Investoren auch kaum Core-Immobilien in Europa. Deutsche Investoren sollten mittelfristig auch die Restnutzungsdauern prüfen.

Borchers: Dem stimme ich zu. Warum müssen Immobilien überhaupt eine Langfristanlage sein? In vielen Sachanlageklassen kann ich gar nicht länger als 24 Monate denken. Warum dann bei Immobilien?