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„Gute Idee, schwach umgesetzt“ Policen-Polizei: Was taugt die Betriebliche AU-Police der Rheinland Versicherungen?

Policen-Polizist Philip Wenzel ist Versicherungsmakler und Biometrie-Experte.
Policen-Polizist Philip Wenzel ist Versicherungsmakler und Biometrie-Experte. | Foto: © privat

Mitarbeiterbindung ist aufgrund der demografischen Entwicklung ein wichtiges Thema. Weniger Geburten bedeuten, dass es künftig immer weniger Arbeiter gibt. Da ist es nur konsequent, wenn Arbeitgeber nach Wegen suchen, ihr Unternehmen aufzuhübschen, um für die verbleibenden Arbeitnehmer am ausgedünnten Arbeitsmarkt attraktiv zu sein.

Die Rheinland Versicherung hat sich dieses Themas angenommen und eine betriebliche Arbeitsunfähigkeitsversicherung (AU-Versicherung) auf den Markt gebracht. Vertrieblich ist das Produkt schnell erklärt: Es verspricht dem Arbeitnehmer eine Lohnfortzahlung über den 42. Tag hinaus. Bedingungsgemäß kommt der Versicherer für die prognostizierte Lücke zwischen dem gezahlten Krankengeld und dem regulären Nettoeinkommen auf. Die versicherte Leistung ist auf maximal 600 Euro im Monat beschränkt – was im Schnitt ausreichen dürfte.

Die Versicherungsleistung orientiert sich am Einkommen und ist in acht Stufen aufgeteilt von 1 bis 1.000 Euro Bruttoeinkommen, für die 165 Euro an monatlicher Renten-Leistung erbracht würden, bis zu 4.001 bis 4.237 Euro, für die 500 Euro monatliche Versicherungsleistung angedacht sind. Die Prämie liegt zwischen 6,80 Euro und 19,10 Euro pro Monat. Tarifliches Weihnachts- oder Urlaubsgeld berücksichtigt die Rheinland bei der Ermittlung der Versicherungssumme, Tantiemen und leistungsbezogenen Boni nicht.

Sollte sich der Leistungsbedarf ändern, darf der Versicherer den Beitragssatz ändern. Dabei ermittelt er die Veränderung des Leistungsbedarfs für jedes Risiko gesondert. Dadurch dürften in kleinen Gruppenverträgen schon wenige Leistungsfälle zu erheblichen Erhöhungen führen. Eine Anpassungsmöglichkeit ist für den Versicherungsnehmer grundsätzlich schon eine beachtliche Übertragung des biometrischen Risikos. Durch die Verengung des Kollektivs auf den einzelnen Gruppenvertrag ist dieses Risiko für den Arbeitgeber deutlich verschärft.

Der Gedanke des Versicherers dahinter mag sein, dass er eine negative Selektion vermeiden will, da die Prämienkalkulation grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten Gewerbe ist. Und eine IT-Firma wird wohl weniger länger andauernde Krankheitsfälle haben als eine Eisengießerei.

Ausgehöhlter Versicherungsgedanke

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Trotzdem ist die Kalkulation einer risikogerechten Prämie für große Kollektive die Aufgabe des Versicherers. Durch die gesonderte Betrachtung der einzelnen Risiken bei einer Anpassung des Leistungsbedarfs wird die zukunftsgerichtete Kalkulation durch eine nachträgliche Abrechnung ersetzt. Der Grundgedanke der Versicherung ist dadurch stark ausgehöhlt.

Es gilt eine Wartezeit von drei Monaten, die bei unfallbedingten Ansprüchen entfällt. Die Wartezeit ist zum Schutz des Kollektivs sehr sinnvoll. Da die betriebliche AU-Versicherung ein Gruppenvertrag ohne Gesundheitsprüfung ist, kann der Versicherer so verhindern, dass Betriebe absehbare Leistungsfälle noch schnell versichern. Die Wartezeit von gerade mal drei Monaten ist dabei noch relativ übersichtlich. Durch die oben erwähnte Anpassungsmöglichkeit des Versicherers ist allerdings zusätzlich unwahrscheinlich, dass der Arbeitgeber vorsätzlich kranke Mitarbeiter dem Kollektiv zuführt.

Hinzu kommt, dass AU-Zeiten, deren Bevorstehen der versicherten Person bei Vertragsabschluss bekannt waren, von der Leistung ausgeschlossen sind. Der Nachweis dürfte dem Versicherer allerdings nur bei einer schon geplanten Operation gelingen, da selbst bei einer bestehenden Erkrankung nicht akut von einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen ausgegangen werden kann. Zumal diese ja für mehr als 42 Tage bestehen muss.

Die Karenzzeit beträgt deswegen auch sinnvollerweise 42 Tage. Beschränkt ist die Versicherungsleistung analog zum gesetzlichen Krankengeld auf 72 Wochen innerhalb von drei Jahren wegen derselben Erkrankung beziehungsweise Unfallfolge.

Die unverkennbare Ähnlichkeit zu einem Krankentagegeld wird es höchst-wahrscheinlich notwendig machen, den Abschluss dieser Versicherung einem eventuell bestehenden Krankentagegeld-Versicherer zu melden. Selbst wenn es nicht zwingend notwendig wäre, wäre es ratsam abzuklären, ob beide Produkte kompatibel nebeneinander laufen können.

Die Arbeitsunfähigkeit muss vollständig sein, der Versicherte muss seinen Beruf vorübergehend in keiner Weise ausüben können. Das wird bei strenger Auslegung so gut wie nie der Fall sein, da eine zumindest einprozentige Arbeitskraft sehr oft vorhanden sein dürfte. Der Anspruch auf die Leistung endet außerdem, wenn Berufsunfähigkeit vorliegt.

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