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Henderson-Chefökonom Simon Ward zum „Brexit“ „Britische Wirtschaft funktioniert auch außerhalb der EU“

Chefökonom von Henderson GI Simon Ward, Foto: Iris Bülow
Chefökonom von Henderson GI Simon Ward, Foto: Iris Bülow
DAS INVESTMENT: Am 23. Juni stimmen die Bürger Großbritanniens über Verbleib oder Austritt aus der EU ab. Wie wahrscheinlich ist ein Brexit?

Simon Ward:
Ich glaube, der Markt blickt momentan ziemlich entspannt darauf. Wir haben die Schwäche des Pfund Sterling gesehen. Aber der britische Aktien- und Bondmarkt hat im Gleichklang mit globalen Trends gelegen: Der Markt nimmt eine geringe Brexit-Wahrscheinlichkeit an. Ich habe etwas Sorge, dass das zu selbstgefällig ist.

Umfragen haben aber doch kürzlich gezeigt, dass die meisten Menschen für einen Verbleib in der EU stimmen wollen.

Simon Ward: Die Umfragewerte ergeben ein gemischtes Bild. Die Telefonumfragen zeigen ein klares Votum für einen Verbleib in der EU. Davon geht auch der Markt aus. Aber Online-Umfragen zeigen, dass beide Lager ziemlich dicht beieinander liegen. Ich glaube, dass die Meinungen zum Thema viel dichter zusammenliegen, als der Markt das annimmt. Aber es sind noch drei Monate bis zur Abstimmung, bis dahin wird es noch einige Schwankungen in den Meinungsumfragen geben. Und so lange werden die Märkte volatil bleiben.

Welche Folgen hat ein Brexit für Großbritannien und Europa?

Simon Ward: Es wird gravierende Konsequenzen geben, nicht nur für die britische, sondern für die gesamte europäische Wirtschaft. Die Auswirkungen werden für unsere gesamte Branche und für unser eigenes Geschäft negativ sein. Die Unsicherheit, die im Falle eines Brexit aufkommt, sehen wir als schlecht für unsere Kunden an.

Steht Großbritannien aus Investorensicht damit quasi am Abgrund?

Simon Ward: Grundsätzlich denke ich, dass eine britische Wirtschaft kann auch außerhalb der EU gut funktionieren kann. Die Struktur unseres Handels hat sich in den letzten 15 Jahren signifikant verändert: Exporte von Gütern in die EU machen nur noch etwa 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Großbritannien aus. Am Anfang der Union waren es noch 10 Prozent. Unser Exporthandel mit dem Rest der Welt ist größer als der in die EU. Und auch der Export von Dienstleistungen in Länder außerhalb der EU ist größer als in EU-Länder.

Die Auswirkungen eines Brexit werden kurzfristig also bestimmt negativ sein, aber mittelfristig betrachtet, denke ich, kann die britische Wirtschaft auch außerhalb der EU erfolgreich sein.

Befürchten Sie nicht, dass bei einem Brexit globale Investoren ihr Geld aus Großbritannien abziehen werden?

Simon Ward: Es wird in dem Fall einen Exodus aus ganz Europa geben, glaube ich. Weil ein Brexit so signifikant wäre: Er würde das ganze EU-Projekt infrage stellen. Ich glaube, dass internationale Investoren sich dann aus der gesamten Region zurückziehen könnten. Die Auswirkungen werden am größten in Großbritannien selbst sein, aber sie werden sich auch auf den übrigen Kontinent auswirken.

Sie sagten, dass die Investmentindustrie zu leiden hätte. Können Sie das näher erklären?

Simon Ward: Großbritannien müsste auch nach einem EU-Austritt immer noch Produkte erstellen, die den EU-Regulierungsanforderungen entsprechen. Aber es hätte keinen Einfluss mehr auf die Regulierung. Andere Bereiche der City wären vielleicht weniger stark von den Auswirkungen betroffen, aber ich glaube, dass gerade das Asset Management ein großer Verlierer wäre.

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