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Hendrik Leber „Im Asset-Management scheint die Zeit stehen geblieben zu sein“

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Der Nutzen von Big Data

Zwischen der theoretischen Prognose, dass eine solche Entwicklung kommen wird, und der Umsetzung liegen noch ein paar Schritte, aber nicht mehr allzu viele. Die Lernentwicklung in den verschiedenen Bereichen der künstlichen Intelligenz schreitet je nach Aufgabe unterschiedlich schnell voran. So ist die Bilderkennung inzwischen sehr ausgereift, die Spracherkennung hat im letzten Jahr deutliche technologische Fortschritte gemacht, während die Interpretation von Musik oder medizinischen Diagnosen noch Zeit braucht.

Bei der praktischen Anwendung von künstlicher Intelligenz im Asset-Management liegt, wie nicht anders zu erwarten, die Hauptarbeit in der Aufbereitung sauberer, brauchbarer Daten. Diese Daten müssen in Maschinen implementiert werden, sodass sie verarbeitet werden können. Anschließend ist die Frage der Zielfunktion zu klären: Was soll eigentlich optimiert werden? Eine Handelsstrategie, eine Anlageentscheidung, eine Portfoliozusammensetzung?

Und woran soll sie gemessen werden – an einem Index, als absolute Größe, von Monat zu Monat oder von Jahr zu Jahr? Um dieses Ziel zu erreichen, müssen verschiedene Architekturen getestet werden. Welche Datentypen sollen verwendet werden? Textanalysen, Kursdaten, Analystenmeinungen? Welche Infos gibt es zu Patenten, klinischen Studien, Auftragseingängen, Investitionsprojekten, Rechtsstreitigkeiten? Und wie packt man all dies in den Computer?

Die meisten Fortschritte wurden bisher bei relativ einfachen Textanalysen erzielt, etwa bei Twitter-Meldungen oder dem Durchforsten von Ad-hoc-Meldungen auf signifikante Stichwörter hin. Auch können einfache kursgetriebene Modelle sehr ordentliche Handelserfolge erzielen. Schwieriger ist die Abbildung langfristiger Trends und makroökonomischer Faktoren in der Asset-Allokation. Hier fehlen noch die Massendaten, die allerdings im Handel überreichlich vorhanden sind.

Asset-Manager müssen Komfortzone verlassen

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Die Asset-Management-Branche ist auch deswegen so konservativ, weil ihr Instrumentenbaukasten seinen Ursprung in der mathematisch eher schlichten Welt der Portfoliooptimierung und der Regressionsmodelle hat und weil er gut bekannt ist. Mit den Modellen der künstlichen Intelligenz verlässt der Asset-Manager indes seine Komfortzone. Die Zusammenhänge zwischen Variablen sind nicht mehr linear, die Kombination der Signale ist durch einen Menschen nicht mehr nachzuvollziehen. Die Modelle werden nicht mehr durch Lösen einer Gleichung gefunden, sondern durch iteratives Probieren („Deep Learning“).

Diese Iterationen sind zielgerichtet, indem der Weg des schnellsten Lernerfolgs durch eine End-to-End-Differenzierung gefunden werden kann. Aber es bleibt ein Probieren. Zusätzlich haben moderne AI-Ansätze eingebaute Gedächtniskomponenten (zum Beispiel „Long Short-Term Memories“). Noch modernere Ansätze arbeiten mit evolutionären Techniken (Versuch und Irrtum, „Reinforcement Learning“), andere mit feindlichen Netzwerken (GANs), die sich gegenüberstehen und zu Höchstleistungen antreiben.

Es ist zu erwarten, dass die technologische Entwicklung der Programme wie auch der Prozessoren sehr schnell voranschreitet. So, wie Schachcomputer zur Massenware geworden sind, könnte es in fünf Jahren den Investmentcomputer als Google-Anwendung geben. Maschinen, die Analysten das Leben zur Hölle machen. Diese werden sich mit besseren Daten, besseren Werkzeugen und besserem Know-how eine Zeit lang dagegen wehren können.

Maschinen werden die Oberhand gewinnen

Doch am Ende werden Maschinen die Oberhand in der Branche gewinnen. Und da die Akquisition von zusätzlichen Analysedaten Geld und Rechenleistung erfordert, könnte sich die Finanzbranche auf wenige finanzstarke Marktteilnehmer verengen. Es könnte ein Wettrüsten geben, zum Beispiel zwischen BlackRock und Renaissance – oder zwischen Google und Nvidia – wer weiß?

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