LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche

Hüfners Wochenkommentar 4 Gründe, warum die Börsen nicht unter dem EU-Zerfall leiden werden

Seite 2 / 2

Drittens: Wo sich politische Veränderungen sehr schnell zeigen, ist am Devisenmarkt. Bei Problemen in der Währungsunion würde sich der Euro abwerten. Das schwächt aber nicht die hiesigen Börsen, sondern hilft ihnen im Gegenteil, weil die Gewinne europäischer Unternehmen von einem billigeren Euro profitieren.

Viertens – und vielleicht am wichtigsten – sprechen für meine These auch die Erfahrung des Jahres 2016. Beim Brexit beispielsweise hatten alle Angst vor dem Referendum und fürchteten, dass die Börsen kollabieren würden, wenn sich die Wähler für einen Austritt aus der EU entscheiden würden. Und was ist passiert? Die Londoner Aktien haussierten, als das Ergebnis bekannt wurde. Der Grund war nicht, dass der Kapitalmarkt nicht verstand, was hier passierte oder dass er den Brexit gar für eine gute Sache gehalten hätte. Er hat nur nüchtern kalkuliert, welche wirtschaftlichen Folgen sich aus der Entscheidung für die nächste Zukunft ergeben würden. Da kam er zu dem Schluss, dass die Unternehmensgewinne durch die Abwertung des Pfundes zunächst steigen würden. Das trieb die Aktienkurse nach oben.

Das gleiche passierte – noch etwas schneller – in den USA nach der Wahl des neuen Präsidenten. Zuerst zitterten die Börsen bei dem Gedanken, dass Trump gewinnen könnte. Die Kurse gingen zurück. Als das Ergebnis dann bekannt wurde, fingen die Investoren an, neu zu denken. Sie kamen – unabhängig von allen Sympathien oder Antipathien zu dem neuen Präsidenten – zu dem Schluss, dass manche Aspekte des Trumpschen Programms positiv für die Unternehmensgewinne sein könnten. Die Börsen haussierten.

Man kann das auch an der ganz langfristigen Entwicklung sehen. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Börse und der Unternehmensgewinne in den USA in den letzten 150 Jahren. Sie stammt aus der Neuauflage des Buches von Robert J. Shiller „Irrational Exuberance“. Dabei sieht man, dass die Börsen in politisch besonders schwierigen Zeiten keineswegs immer schlecht liefen. Die Jahre 1932 bis 1937 etwa waren politisch die vielleicht schlimmste Zeit des Jahrhunderts mit dem Nationalsozialismus und den Vorbereitungen auf den zweiten Weltkrieg. Die Aktienkurse aber gingen trotzdem nach oben.

Langfristige Entwicklung der Aktienkurse

Preisbereinigt

Quelle: R.J. Shiller, Irrational Exuberance 

Manche werfen der Börse deshalb vor, sie sei unmoralisch und habe kein Gespür für das, was gut und was schlecht ist. Das ist nicht fair. Die Märkte „ticken“ einfach anders. Sie orientieren sich nicht an längerfristigen politischen Prioritäten, sondern an kürzerfristigen wirtschaftlichen und monetären Faktoren. Und da sieht manches anders aus.

Für den Anleger

Mit den Wahlen in Europa in diesem Jahr wird es aus meiner Sicht so kommen wie beim Brexit. Alle haben vorher Angst. Es gibt viele Unsicherheiten, die auch die wirtschaftliche Entwicklung vorübergehend beeinträchtigen. Im Übrigen würde ein schwächerer Euro auf den Devisenmärkten den Börsen helfen. Insgesamt gibt es zwar mehr Volatilität, aber keinen größeren Einbruch. Im Euro könnte es dazu kommen, dass Gelder von einem Land in ein anderes verlagert werden. Die Börsen der Länder, die das Geld bekommen, würden steigen. Die der anderen würden sinken. Anleger müssen daher aufpassen, dass sie auf der richtigen Seite stehen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion