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Hüfners Wochenkommentar Das sind die unterschätzten politischen Risiken

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Index der politischen Unsicherheit

So eine Diskrepanz wie jetzt hat es bisher noch nicht gegeben. Nun muss man allerdings berücksichtigen, dass der Index der politischen Unsicherheit die Sache etwas übertreibt. Offenbar neigt die Presse in letzter Zeit dazu, sich stärker auf Krisen zu fokussieren (obwohl dem Index nur Medien zugrunde liegen, die allgemein als seriös gelten).

Anders ist es nicht zu erklären, dass die gemessene Unsicherheit heute viel größer ist als etwa zu Zeiten der großen Finanzkrise 2007/2008 oder etwa bei dem schrecklichen Attentat vom 11. September 2001 in New York. Da muss man also ein paar Abstriche machen.

Es bleibt ein eklatanter Dissens

Aber selbst wenn man das tut, bleibt ein eklatanter Dissens zwischen politischer Unsicherheit und Kapitalmarktverhalten. Woran kann das liegen? Es gibt zwei Faktoren, die einem hier in den Sinn kommen. Der eine ist der lange konjunkturelle Aufschwung, den wir seitdem erlebt haben.

Wenn die Wirtschaft boomt und die Unternehmensgewinne steigen, wie das in den letzten Jahren der Fall war, sind die Anleger eher bereit, politische Unsicherheiten hinzunehmen. Sie bleiben trotzdem investiert. Das war deutlich beim Brexit-Referendum in Großbritannien zu beobachten, wo das Wachstum schon vorher sehr hoch war und sich durch den Volksentscheid nicht wesentlich verschlechterte.

Ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken

Der zweite Grund ist die ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken. Bei Null- und Negativzinsen sowie bei überschäumender Liquidität werden die üblichen wirtschaftlichen Mechanismen außer Kraft gesetzt. Es gibt dann so viele positive Impulse für die Kapitalmärkte, dass sie die negativen Einflüsse von der politischen Unsicherheit überkompensieren. Nicht zufällig geschah die Abkoppelung der politischen Unsicherheit von der Marktvolatilität gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die Zentralbanken auf Krisenbekämpfung umschalteten.

Wenn das richtig ist, dann wird es nicht dabei bleiben, dass Kapitalmärkte und Wirtschaft so wenig von politischen Risiken beeinflusst werden. Sowie der konjunkturelle Aufschwung zu Ende geht (und irgendwann wird das der Fall sein) und sowie die Zentralbanken beginnen, sich von der ultralockeren Geldpolitik zu verabschieden, werden auch die normalen Reflexe der Marktwirtschaft wieder zur Geltung kommen. Dann werden politische Risiken auch am Kapitalmarkt und in der Wirtschaft wieder stärker spürbar werden.

Für den Anleger

Nach den französischen Wahlen haben sich die politischen Risiken in Europa verringert. Das hat den Aktienmärkten und den Credit Spreads auf dem Kontinent in den letzten Monaten geholfen. Ziehen Sie daraus aber keine falschen Schlüsse. Die politischen Risiken sind noch keineswegs vorbei. Auch in Zukunft wird es Krisen geben. Zudem können wir uns nicht darauf verlassen, dass die Märkte darauf weiter so gelassen reagieren werden. 

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