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Hüfners Wochenkommentar Die 5 Szenarien zur Zukunft der EU reichen nicht aus

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Weißbuch keine Lösung

Abgesehen von der Kritik an den einzelnen Optionen: Das Weißbuch ist auch deshalb keine Lösung, weil es die falschen Probleme adressiert. Europa leidet nicht – wie in manchen früheren Krisen – daran, dass die Integration stockt und wieder angeschoben werden muss. Das Problem liegt vielmehr darin, dass die Integration den Kontakt zu den Menschen verloren hat.

Die Zustimmung der Bevölkerung zur EU geht zurück. Nur noch 50 Prozent halten die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft für eine gute Sache. So niedrig war die Zustimmung noch selten. Zum ersten Mal seit 60 Jahren wird die Gemeinschaft nicht größer, sondern kleiner. Es ist nicht auszuschließen, dass weitere Mitglieder die EU verlassen.

Es sind diese Punkte, an denen man ansetzen muss. Wie kann man Europa wieder zusammenschweißen und die Menschen für das Projekt gewinnen? Wie kann man dem antieuropäischen Populismus den Boden entziehen? Der Ökonom würde sagen: Europa muss nicht „Top down“ weiterentwickelt werden, sondern „Bottom up“.

Schutz der Freiheit

Was heißt das konkret? Hier nur zwei Beispiele: Zum einen muss man den Menschen die Vorteile Europas wieder deutlicher vor Augen führen. Lange Zeit hatte man gesagt, die EU sei ein Schutz gegen kriegerische Auseinandersetzungen auf dem Kontinent. Das ist zwar richtig. Es überzeugt aber nicht eine Generation, die den Krieg nicht selbst erlebt hat. Für sie liegt der große Vorteil von Europa in der Vielfalt beim Denken, der Kulturen, den Menschen, den Sprachen, den Landschaften etc. Europa bietet eine viel größere Freiheit, diese Vielfalt zu nutzen und die Lebensmöglichkeiten der Menschen zu erweitern. Darüber hinaus ist die EU ein Schutz der Freiheit gegenüber den Hegemonialbestrebungen der Großmächte in der Welt.

Zum anderen darf Europa nicht nur mit Vernunftargumenten begründet werden. Kein Nationalstaat basiert nur auf der Ratio. Gebraucht wird Empathie für Europa. Auch das kann sich die Politik auf die Fahnen schreiben, etwa durch Jugendaustausch, Städtepartnerschaften oder das Erasmus-Programm für Studenten. Für solche Aktivitäten gibt es Bedarf. Die Demonstrationen des „Pulse of Europe“ ziehen wöchentlich immer mehr Menschen an. In München entstand unter dem Vorsitz des früheren Finanzministers Theo Waigel die „Münchner Europa Konferenz“, eine Bürgerinitiative zur Förderung Europas. Das sind Wege, den Zusammenhalt in Europa zu fördern.

Für den Anleger

An den Finanzmärkten gibt es derzeit unterschiedliche Ansichten zu Europa. Auf den Devisenmärkten werden zunehmend kritische Fragen gestellt. Zentralbanken legen weniger Geld im Euro an. Auf den Aktien- und Bondmärkten deutet sich dagegen eine Renaissance Europas an. Internationale Anleger schichten Portfolien zugunsten europäischer Werte um (zum Beispiel nach Spanien, Portugal). Solche Präferenzen können sich freilich schnell ändern. Es ist daher ratsam, Anlagen weiter regional zu diversifizieren.

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