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Hüfners Wochenkommentar „Die EU steht ohne Großbritannien schlechter da“

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Interessant ist, dass selbst die europäischen Exporte nach Großbritannien trotz des ungünstigeren Wechselkurses und trotz der langsame­ren Expansion seines Binnenmarkts nicht stärker zurückgehen. Das zeigt, dass das Vereinigte Königreich viele Güter, die es braucht, gar nicht mehr selbst produziert und sie da­her in jedem Fall importieren muss.

In die gleiche Richtung gehen die strukturellen Veränderungen, die sich derzeit vollziehen. Eine für mich überraschend große Zahl von internationalen Banken hat bereits angekündigt, dass sie Teile ihres Londoner Geschäfts auf den Kontinent verlagern würde. Weitere werden folgen. Sie wollen damit nicht nur sicherstellen, dass sie ihre Produkte auch in Zukunft in der EU vertreiben können. Sie wollen auch das lukrative Euro-Clearing nicht verlieren, das in Zukunft aller Voraussicht nach allein auf dem Kontinent erlaubt sein wird.

Erheblicher Schub für Finanzplatz Frankfurt

Die Hessische Landesbank rechnet damit, dass bis Ende nächsten Jahres mindestens 2.000 Stellen nach Frankfurt verlagert werden, nach mehreren Jahren mindestens 8.000. Das ist für den Finanzplatz London (mit über 300.000 Bankern) eine kleine Zahl. Sie gibt Frankfurt aber einen erheblichen Schub. Auch andere Finanzplätze auf dem Kontinent (einschließlich Irland) werden profitieren.

Ähnliches wird sich auch in anderen Branchen vollziehen. Das Vereinigte Königreich war in der Vergangenheit immer ein begehrter Standort für Direktinvestitionen. Von dort aus konnte nicht nur der britische Markt bedient werden. Die Investoren hatten gleichzeitig auch Zugang zum gesamten Kontinent. Großbritannien war daher in den letzten Jahren der bei Weitem größte Empfänger von Direktinvestitionen in der EU. Das wird künftig anders sein. Weniger Kapital wird nach UK fließen, mehr in die Länder auf dem Kontinent. Auch das hilft der Gemeinschaft.

Fachkräfte verlassen Großbritannien

Es gibt zudem Anzeichen, dass die Wanderung vom Kontinent nach Großbritannien geringer wird und dass Fachkräf­e aus der EU die Insel verlassen. Das ist für die Europäer ein Gewinn. Sie haben mehr qualifizierte Arbeitskräfte, die gerade in Deutschland dringend gebraucht werden. Es handelt sich bei den Betroffenen zudem häufig um Besserverdienende, die mit ihrer Nachfrage auch die Konjunktur stützen. Für Großbritannien ist es ein Verlust, weil sich viele Unternehmen auf ausländische Arbeitnehmer verlassen. Auf manchen Baustellen kommen drei Viertel der Arbeiter aus dem Ausland.

Schließlich leidet auch die Integration in Europa nicht. Im Gegenteil. Der Entschluss der Briten zum Brexit hat mit da­zu beigetragen, dass inzwischen in der EU mehr Anstrengungen unternommen werden, der Gemeinschaft neuen Schub zu verleihen. Manches, was bisher am Widerstand der Briten gescheitert ist, wird jetzt möglich (zum Beispiel eine stärkere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung). Der Kommissionspräsident brachte letzte Woche sogar die Idee auf, den Euro auf alle Mitglieder auszuwei­ten. Damit ist er freilich weit über das Ziel hinausgeschos­sen. So etwas geht gar nicht.

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