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Hüfners Wochenkommentar Die optische Täuschung bei niedrigen Zinsen

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Der zweite Fall sind Zinserhöhungen, bei denen sich die Situation des Sparers auch real verbessert. Er ist nicht so leicht zu beantworten. Hier geht es um die Realzinsen, also die Differenz zwischen Nominalrenditen und Geldentwertung. Die Grafik zeigt, dass diese Differenz durchaus höher sein kann als heute. In den 80er und 90er Jahren lag sie im Schnitt bei 4,5 Prozent pro Jahr (es gab sogar Zeiten, in denen sie auf 6 bis 7 Prozent anstieg). In der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts betrug sie im Schnitt 2,5 Prozent.

Solche Verhältnisse sind meilenweit von den heutigen Gegebenheiten entfernt. Seit der Finanzkrise 2008 betrug der Realzins in Deutschland im Schnitt nur noch rund 1 Prozent pro Jahr. Heute sind es kaum mehr als Null. Das ist kein Zufall. Nach der ökonomischen Theorie liegt der Realzins auf lange Sicht immer in etwa auf der Höhe des realen Wirtschaftswachstums. In den 80er und 90er Jahren wuchs die deutsche Wirtschaft zeitweise um 4  bis 5 Prozent pro Jahr. Dazu passte der damalige Realzins. Inzwischen ist die langfristig erzielbare Wachstumsrate auf rund 1 Prozent zurückgefallen. Da kann natürlich auch der Realzins nicht mehr so hoch sein.

Wer höhere Zinsen haben will, sollte in diesem Fall nicht auf die Notenbanken schielen. Entscheidend für Besserung der Situation der Sparer ist, dass sich die realen Verhältnisse bessern. Das Wirtschaftswachstum muss steigen. Das aber ist sehr schwer zu erreichen. Dagegen sprechen nicht nur die objektiven Verhältnisse, zum Beispiel die Alterung der Bevölkerung oder der Rückgang der Investitionen. Hinzu kommt, dass die Wirtschaftspolitik der Verteilung der Wirtschaftsleistung heute eine größere Bedeutung zumisst als der Schaffung des Sozialprodukts. Auch in der Öffentlichkeit wird das Ziel eines höheren Wachstums zugunsten von Nachhaltigkeitszielen immer häufiger relativiert. Das kann man machen. Man muss sich aber der Konsequenzen für die Sparer und die Zinsen bewusst sein.

Ohne mehr Wirtschaftswachstum kann sich die Situation des Sparers zwar optisch verbessern, indem die Nominalzinsen steigen. Eine wirkliche Besserung wird es nur geben, wenn es wieder mehr Wachstum gibt. Das kann die Zentralbank aber nicht bewirken.

Für den Anleger

Machen Sie sich keine Illusionen. Die Zinsen werden in Europa am kurzen und am langen Ende des Marktes noch eine Weile niedrig bleiben. Wenn Sie dann nach oben gehen, dann wird dies in erster Linie im Zusammenhang mit steigenden Preisen passieren. Das wird Ihnen aber nicht viel helfen. Wenn Sie real, also unter Abzug der Inflation, höhere Renditen haben wollen, kommen Sie – wenn sich das Wirtschaftswachstum nicht erhöht – nicht darum herum, auch höhere Risiken in Kauf zu nehmen. Das wird also ein wichtiges Argument für Aktien bleiben.

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