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Hüfners Wochenkommentar Diese Folgen können Negativzinsen noch haben

Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner
Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner
Die Weltwirtschaft befindet sich in der schlimmsten Situation, die wir uns in den letzten Jahren immer vorgestellt haben. Das Wachstum schwächt sich ab, es droht eine Rezession – gleichzeitig hat die Wirtschafts- und Währungspolitik aber keine Munition, um gegenzusteuern. Die Zinsen sind bereits bei null, die Staatsverschuldung ist so groß, dass keynesianisches Deficit Spending nicht mehr funktioniert.

Eigentlich müsste die Politik jetzt tieftraurig sein. Vor allem bei den Zentralbanken rächt sich, dass sie die Zinsen in den letzten Jahren nicht rechtzeitig erhöht haben, um wieder handlungsfähig zu werden. Aber von Reue ist nichts zu spüren. Im Gegenteil, sie haben ein neues Instrument entdeckt: Negative Zinsen. Früher dachte man immer, Zinsen könnten nicht unter null fallen („Zero Bound“). Negative Zinsen seien nicht nur unsinnig, sondern in der Realität auch nicht durchsetzbar. Wer bezahlt schon dafür, dass er jemanden anderem Geld leiht?



Jetzt plötzlich scheint sich alles geändert zu haben. Negative Zinsen sind en vogue. Zuerst fingen die Schweiz, Dänemark und Schweden damit an. Das waren noch kleinere Länder, die man nicht so auf dem Radarschirm hatte. Dann kam im letzten Jahr die Europäische Zentralbank dazu. Zuletzt hat vor vier Wochen Japan negative Zinsen auf Zentralbankeinlagen eingeführt. Das war der Durchbruch. Negative Zinsen gelten seitdem nicht mehr als Tabu. Sie scheinen den Zentralbanken ganz neue Möglichkeiten zu eröffnen.

Aber wie tragfähig ist das neue Instrument? Wie weit können die Zinsen im Negativbereich sinken? Derzeit sind die Sätze noch relativ unscheinbar. Die Schweiz liegt mit minus 0,75 Prozent an der Spitze, die Europäische Zentralbank mit minus 0,3 Prozent in der Mitte und Japan mit minus 0,1 Prozent am unteren Ende. Die Zentralbanken selbst geben keine Grenze für negative Zinsen an. Die Europäische Zentralbank erklärt, es gebe kein Limit für ihre expansive Geldpolitik. Sie könne die Krise so lange bekämpfen, wie es nötig sei. Aber das muss sie natürlich sagen.

Der Münchner Professor Sinn vertritt die Gegenposition. Für ihn haben die negativen Zinsen bereits das Niveau erreicht, das nicht mehr unterschritten werden kann. Die Grenzen sind für ihn die Tresorkosten zum Aufbewahren von Bargeld. Er beziffert sie mit 0,3 Prozent. Wenn die Zinsen darunter fallen, dann werden die Menschen den Banken kein Geld mehr geben, sondern alle Einlagen in Bargeld tauschen und es in den Tresor legen.

Das leuchtet auf den ersten Blick ein. Es ist aber auch nicht richtig. Die Kosten eines Übergangs zu Bargeld sind nämlich viel höher. Banken, Unternehmen und Privatleute brauchen nicht nur Tresore. Sie benötigen auch Arbeiter und Fahrzeuge, um das Geld bei Überweisungen zu transportieren. Dazu kommen Maschinen, um das Geld zu zählen. Es ist teuer, die Löhne in den Unternehmen in bar auszuzahlen. Das Kassieren im Einzelhandel wird umständlicher. Die ganze monetäre Infrastruktur muss umgebaut werden. Das kostet sicher mehr als 0,3 Prozent.

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