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Hüfners Wochenkommentar Europa steht am Rande einer Rezession

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Europa steht am Rande einer Rezession. Aber die Entwicklung ist nicht einheitlich. Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Peter Praett, wies darauf hin, dass die "Reforming Countries" (Spanien, Irland, Portugal) wieder gutes Wachstum hätten.

Nur in den "Non-Reforming Countries" sieht es schlecht aus. Zu ihnen rechnet er nicht nur Italien und Frankreich, sondern – wer hätte das gedacht – auch Deutschland. Eine solche Aussage wird Frau Merkel nicht freuen.

In einer Weltwirtschaft mit so großen Unterschieden müssen sich die Wechselkurse verändern. Vor allem muss der Euro schwächer werden, der US-Dollar stärker.

Ich habe keinen getroffen, der in den nächsten 18 Monaten eine Abwertung der amerikanischen Währung erwartet. Die Meinungsunterschiede drehten sich nur darum, in welchem Ausmaß der Dollar an Wert gewinnen könnte. Einige waren vorsichtig und rechneten mit einem Euro-Dollar-Kurs von 1,15 Dollar.

Andere waren aggressiver und sagten eine Parität für den Wechselkurs voraus. Wenn es zu solchen Verwerfungen auf den Devisenmärkten kommen sollte, kann das wohl kaum ohne krisenhafte Zuspitzungen passieren. Über neue Währungskrisen wurde in Washington aber nicht gesprochen.

Solche Wechselkursbewegungen haben Rückwirkungen. Sie ebnen die weltwirtschaftlichen Unterschiede ein. Der Boom in den USA wird gebremst. Das wird in den USA nicht ohne Widerstand hingenommen werden.

Andererseits sind sich die Vereinigten Staaten darüber im Klaren, dass ordentliches Wachstum in Europa auch in ihrem Interesse liegt. Umgekehrt ist die Euro-Abwertung (zusammen mit der Ölpreissenkung) ein Konjunkturprogramm für Europa.

Was die Geldpolitik betrifft, gab es in Washington wenig Angst, dass die bevorstehende "Normalisierung der US-Geldpolitik" zu größeren Problemen an den Märkten führen könnte. Das hat mich überrascht.

Zu erwarten war dagegen, dass Europa zu weiteren Lockerungen gedrängt wurde. Es ist aber keineswegs so, dass alle Amerikaner für Staatsanleihekäufe durch die EZB eintreten.

Selbst ein so prominenter Kritiker des Euros wie der amerikanische Professor Martin Feldstein wandte sich dagegen. Eine solche Maßnahme wirke nur, wenn dadurch – wie in den USA – die Zinsen gesenkt werden können. In Europa seien sie aber schon niedrig.

Anderes Thema: Vor einem Jahr überwogen bei den Banken die Klagen über die vielen regulatorischen Veränderungen, die ihre Geschäftsmöglichkeiten einschnürten. Das Kapitel ist noch nicht abgehakt. Es hat aber an Brisanz verloren.

Jetzt geht es für die Banken mehr um die Herausforderungen durch die neuen Technologien: Die Probleme des "Big Data", die Gefahren von Cyber-Attacken und natürlich auch die Veränderungen beim Zahlungsverkehr. Die Banken klagen nicht mehr so viel. Sie schauen wieder mehr nach vorne. Das ist erfreulich.

Für den Anleger drei Schlussfolgerungen


Erstens ist der Pessimismus, den man in Washington zur Lage im Euro hörte, aus meiner Sicht genauso übertrieben wie vor einem Jahr der Optimismus. Die Banker lassen sich hier mehr von Stimmungen treiben als von realen Fakten.

Objektiv ist die Lage in Europa zwar nicht gut, aber auch nicht so schlecht, wie sie gemacht wird. Gleichwohl, zweitens, muss man davon ausgehen, dass es in Zukunft weniger Auslandsgelder gibt, die auf den europäischen Kapitalmärkten investiert werden. Damit fehlt eine wichtige Antriebskraft für die Märkte.

Drittens müssen wir uns auf turbulente Zeiten an den Devisenmärkten einstellen. Da kann man Geld verdienen, wenn man auf eine Aufwertung des Dollars setzt.

Andererseits bringen Währungsunruhen Unsicherheiten in das System, die sich auch auf die Aktien- und Bonds-Märkte übertragen. Freilich gibt es ein Fragezeichen: Wenn alle auf eine Aufwertung des Dollars setzen, ist die Gefahr groß, dass es am Ende doch anders kommt.

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