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Aktualisiert am 05.10.2016 - 10:42 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten
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Hüfners Wochenkommentar Führungsschwäche bei der Federal Reserve

Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner
Assenagon-Chefvolkswirt Martin Hüfner

Auch Bankvolkswirte haben ein Berufsethos. Eine der ungeschriebenen Regeln besagt: Kritisiere nie die Zentralbanken. Sie sind der Fels in der Brandung der Finanzmärkte. Sie geben Halt und Sicherheit. Wer sie tadelt, gefährdet die Stabilität des Systems. Ganz abgesehen davon spielen sie eine wichtige Rolle in der Aufsicht der Banken, weshalb gerade die Kreditwirtschaft mit Kritik vorsichtig ist. In den letzten zwei Jahren hat sich bei mir aber so viel Frust aufgestaut, dass ich im Folgenden gegen diese Regel verstoßen werde.

Das, was die amerikanische Federal Reserve seit Auslaufen der Wertpapierkäufe im Oktober 2014 tat, ist, um das Mindeste zu sagen, schwer verständlich. Von Sitzung zu Sitzung verkündete sie die Absicht, die Zinsen wieder auf ein Normalniveau anheben zu wollen. Immer wieder hat sie das Vorhaben dann aber doch abgeblasen.

Die Gründe, die sie dafür anführte, waren wenig überzeugend. Mal waren es vorübergehend schlechte Arbeitsmarktzahlen, mal waren es Befürchtungen hinsichtlich China und anderer Schwellen- und Entwicklungsländer. Im Sommer war es die Entscheidung der Briten aus der EU auszutreten.

Inflation hoch, Wachstum runter


Grafik: Assenagon

Die Fed nennt diese Politik „Data Driven“, also von den Marktdaten abhängig. Sicher kann die Geldpolitik nicht im luftleeren Raum operieren. Sie muss auf das Umfeld Rücksicht nehmen. Sie darf sich aber nicht von den jeweils kurzfristigen Daten tyrannisieren lassen. Sie muss immer auch das langfristige Ziel der Normalisierung der Liquidität und der Zinsen im Auge haben und den Märkten glaubhaft vermitteln. Daran fehlt es.

Gefühlt mindestens zehn Zinserhöhungen

Gefühlt, das heißt in den Prognosen der Märkte, gab es in den letzten zwei Jahren mindestens zehn Zinserhöhungen. Alle haben Wirtschaft und Märkte belastet und zu einem Attentismus geführt. In der Realität ist der amerikanische Leitzins aber nur einmal um lächerliche 25 Basispunkte angehoben worden.

Dazu hat sich der Aufwand der vielen Diskussionen weiß Gott nicht gelohnt. Der Hedge-Fonds-Manager Stephen Jen brachte es auf den Punkt als er sagte: „Fed watching, in retrospect, has been the single biggest waste of my time in the past two years“ (Rückblickend war die Beschäftigung mit der Fed bei mir die größte Zeitverschwendung der letzten zwei Jahre).

Was ich der Federal Reserve vorwerfe, ist Führungsschwäche. Sie hat nicht den Mut, eine einmal beschlossene Politik auch gegen Zweifel am Markt durchzusetzen. Das ist das Gegenteil von dem, was eine an sich schon unsichere und wachstumsschwache Weltwirtschaft braucht. Selbst der bisherige Chef der indischen Notenbank Raghuram Rajan (dessen Land unter einer amerikanischen Zinserhöhung leiden würde) sagte einmal: „Just do it“.


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