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Hüfners Wochenkommentar Juristen haben nicht immer recht

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management
An sich ist die Europäische Zentralbank eine gute Institution und Mario Draghi ist ein guter Präsident. Es gibt aber eine Äußerung, die mir immer wieder gegen den Strich geht. Das ist, wenn Draghi sagt, dass die Inflation zu niedrig ist und er alles tun werde, um sie zu erhöhen. Die Zentralbank will die Geldentwertung erhöhen? Das klingt zumindest in deutschen Ohren ungewöhnlich.

Zentralbanken sind dazu da, den Geldwert in einer Volkswirtschaft stabil zu halten. Damit soll sichergestellt werden, dass der Preismechanismus der Marktwirtschaft ordentlich funktioniert. Dadurch wird die Allokation der Produktionsfaktoren gesteuert und es werden die Voraussetzungen geschaffen, dass es nicht zu unerwünschten Verteilungswirkungen kommt. Die EZB hat dies bisher, ebenso wie vorher die Bundesbank, ordentlich gemacht.

Und das soll jetzt geändert werden? Juristisch sind Herr Draghi und die EZB mit ihren Plänen für eine höhere Inflation durchaus im Recht. Im Maastricht-Vertrag ist die Zentralbank auf Preisstabilität verpflichtet. Dabei ist Preisstabilität definiert als eine Zunahme der Preisniveaus um "nahe aber unter 2 Prozent". Wenn die Preise derzeit nur um 0,3 Prozent steigen, dann ist das eindeutig zu wenig. Die EZB verfehlt ihr Ziel. Sie muss alles tun, um die Preisentwicklung wieder nach oben zu bringen.

Ökonomisch ist das jedoch Unsinn. Erstens hat die Volkswirtschaft keinen Vorteil, wenn die Preissteigerung höher ist. Die Verbraucher würden dann Kaufkraft verlieren. Die ohnehin schon niedrigen Zinsen der Sparer würden durch höhere Preise noch weiter verringert. Für die Unternehmen würden die Preissignale verzerrt. Nur Schuldner stellen sich bei einer größeren Geldentwertung besser. Das geht aber zu Lasten der Gläubiger. Es ist volkswirtschaftlich sicher nicht erwünscht.

Ein Gegensteuern der Zentralbank wäre nur dann nötig, wenn die Preise sinken würden und dies in der Volkswirtschaft zu einer kumulativen Abwärtsbewegung führen würde. Das wäre der Fall, wenn die Verbraucher bei Preissenkungen den Konsum reduzieren, um später billiger einkaufen zu können. Dann würde dadurch der gesamtwirtschaftliche Verbrauch zurückgehen und die Preise würden noch weiter sinken. Das ist aber nirgends zu sehen. Kein ernsthafter Beobachter rechnet damit. Auch in Japan gab es in den letzten 20 Jahren nie eine solche kumulative Entwicklung nach unten.

Zweitens ist die niedrige Preissteigerung durch die Konsolidierung und die Anpassungsprozesse im Euro gewollt. Wo die Preise tatsächlich sinken, ist vor allem in Reformländern wie Spanien oder Griechenland. Das wurde durch die Maßnahmen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit erzwungen. Deflatorische Tendenzen könnten in Europa mit einem Federstrich beseitigt werden, wenn die Reformpolitik abgeblasen würde. Dazu braucht es keine Europäische Zentralbank. Glücklicherweise denkt derzeit niemand an so etwas.


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