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Hüfners Wochenkommentar Keine Lieschen Müller-Hausse

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Mangelnder Aktienbesitz ist darüber hinaus ein Zeichen für eine geringe Risikoneigung in der Gesellschaft. Die Menschen haben Angst vor der Zukunft. Sie kaufen zwar gerne die neuesten Smartphones. Sie sind aber nicht bereit, Ersparnisse zur Verfügung zu stellen, damit solche Innovationen entwickelt werden können. Es ist nicht zufällig, dass viele Zentren des technischen Fortschritts heute nicht mehr in Deutschland sind, sondern zum Beispiel in den USA oder in China (wo der Staat die Risiken übernimmt).

Der Zustand der deutschen Gesellschaft hat schon gewisse Ähnlichkeiten mit dem Bild der "ausgezehrten Großmutter", mit dem der Papst in der letzten Woche die Europäer nicht gerade freundlich verglich. Viele andere europäische Staaten (auch die so sicherheitsbewusste Schweiz!) stehen in Sachen Aktienengagement besser da als die Deutschen.

Die geringe Aktienquote hat auch negative verteilungs-politische Konsequenzen. Die Aktienkurse sind in den letzten drei Jahren im Schnitt um etwas weniger als 20 Prozent pro Jahr gestiegen. Dieser Zuwachs kommt jedoch nur einer kleinen Gruppe in der Gesellschaft zugute. Die Lohnerhöhungen für die große Masse der Bevölkerung bewegen sich in Größenordnungen von maximal 2 bis 3 Prozent. Die Zinsen für Spareinlagen betragen weniger als 2 Prozent. Da entsteht eine soziale Schieflage, die auf Dauer so nicht weiter gehen kann.

Geringe Aktienkäufe deuten darauf hin, dass der Anlegerschutz in Deutschland in den letzten Jahren zu weit gegangen ist. Wegen der strengen Regulierungen hat sich eine Reihe von Banken bereits aus dem Aktiengeschäft mit Kleinanlegern zurückgezogen. Es ist für sie zu teuer und zu sehr mit dem Risiko verbunden, wegen Falschberatung belangt zu werden.

Die strikten regulatorischen Vorschriften für Versicherungen verhindern, dass sich auch diese Institute stärker in Aktien engagieren. Der Anteil der Aktien in den Portefeuilles der Versicherungen ist in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern gefallen. Damit kommen Aktienkurssteigerungen auch auf diesem – indirekten – Weg nicht mehr bei den Sparern an. Ganz abgesehen davon, dass darunter die Rendite der Versicherungen leidet.

Wenn die privaten Haushalte ihr Geld lieber in Bargeld und Sichtdepositen halten, dann sagt das auch etwas über die Qualität des Sparens aus. Es ist nicht mehr langfristiger Konsumverzicht für spätere Anschaffungen oder für ein auskömmliches Leben im Alter. Sie ist eher eine kurzfristig verfügbare Reserve, die jederzeit in Verbrauch umgewandelt werden kann. Auf so etwas kann man aber schlecht langfristig tragfähiges Wirtschaftswachstum basieren.

Schließlich: Wenn private Haushalte keine Aktien mehr kaufen, dann wird die Börse noch mehr abhängig von den beiden derzeit größten Käufergruppen, den Kreditinstituten und dem Ausland. Die Schwankungsanfälligkeit nimmt zu. Die Abhängigkeit von internationalen Entwicklungen erhöht sich. Die geldpolitische Lockerung fließt immer mehr in die Vermögensgüter als in die Realwirtschaft.

Für den Anleger

Es ist gut, dass es keine "Lieschen Müller-Hausse" gibt. Das verringert das Risiko von Übertreibungen. Allerdings sollte man sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Es gibt daneben natürlich auch noch andere Risikofaktoren. Anleger sollten die großen gesellschaftspolitischen Probleme nicht übersehen, die sich aus dem geringen Aktienengagement der privaten Haushalte ergeben. Das sind Entwicklungen, von denen schwer erkennbar ist, wo sie eines Tages enden. Sie treiben deutsches Risikokapital ins Ausland und bremsen ausländische Investoren, Geld in Deutschland anzulegen.

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