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Hüfners Wochenkommentar The „New Normal“ is the The „Old Normal“

Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management
Martin Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management
Seit der großen Finanzkrise 2008 gehen die meisten davon aus, dass sich die Welt grundlegend verändert hat. Inflationsgefahren gehören der Vergangenheit an. Wir können froh sein, wenn es keine Deflation gibt. Die Zinsen sind niedrig, vielleicht sogar negativ. Die Aktienmärkte boomen über alles Vorstellbare hinaus. Auch anderes, was wir auf den Kapitalmärkten sehen, ist „verrückt“. Der Altmeister des Anleihegeschäfts, Bill Gross, prägte das Wort vom „New Normal“, der neuen  Normalität. Das macht die Runde. Viele glauben es und versuchen sich, nolens volens darauf einzustellen.

Jetzt passiert aber etwas ganz Ungewöhnliches. Ausgerechnet die amerikanische Notenbank Federal Reserve, der man das am wenigsten zugetraut hätte, stellt die These von der neuen Normalität in Frage. Sie will sich nicht mit den gegenwärtigen Verhältnissen auf den Märkten abfinden. Sie will zurechtrücken, was schief gelaufen ist. So jedenfalls interpretiere ich ihre Entschlossenheit, die Leitzinsen auch gegen mancherlei Widerstände und frühzeitiger als von den Märkten erwartet zu erhöhen. Wie ich auf die Idee komme?

An den Finanzmärkten wird derzeit heftig über das Für und Wider des „Lift Off“ diskutiert, also der Anhebung der amerikanischen Leitzinsen. Alle rätseln darüber, wann er kommt, wie stark er ausfällt und was er für die Finanzmärkte bedeutet. Wird er etwa zu einer Wiederholung des großen Crash von 1937 führen, als der Dow Jones in zwei Monaten um fast 50 Prozent herunterrauschte? Das hat der Gründer des Hedge-Fonds Bridgewater, Ray Dalio, kürzlich in einem Brief an seine Kunden an die Wand gemalt. Oder kommen wir insgesamt mit einem blauen Auge davon? Eine Frage aber wird gar nicht gestellt. Warum tut sich die Federal Reserve das Ganze überhaupt an? Warum will sie die Zinsen erhöhen und damit neue Risiken eingehen? Es zwingt sie doch niemand. Die Wirtschaft der USA läuft. Es gibt auch am Arbeitsmarkt keine größere Überhitzung. Die Inflation liegt unter Null. Da könnte man einfach weitermachen wie bisher.

So sieht das die Federal Reserve aber offenbar nicht Sie ist der Meinung, dass sich die Welt gar nicht so sehr verändert hat. Die Wirtschaft folgt nach wie vor den alten  Gesetzen. Schauen Sie sich die Konjunktur an (siehe Grafik). Sie bewegt sich gar nicht viel anders als früher. Durch die Flutung der Märkte mit Geld in den letzten Jahren sind aber neue Ungleichgewichte entstanden. Sie sind so groß, dass man sie nicht als „neue Normalität“ verharmlosen kann. Sie müssen beseitigt werden, und zwar so schnell wie möglich. Was die Federal Reserve will, ist dreierlei. Erstens müssen die Zinsen wieder steigen. Anhaltend niedrige Zinsen führen zu Blasen an den Kapitalmärkten. Sie verzerren den Blick auf die Risiken und führen zu Fehlentwicklungen in der Wirtschaft. Es gibt nicht den berühmten „Savings Glut“ (Überschuss an Ersparnis über die Investition), der die Zinsen zwangsläufig so niedrig hält. Als ersten Schritt fasst die Notenbank daher jetzt eine Erhöhung der Leitzinsen ins Auge.


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