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Hüfners Wochenkommentar Wird England die neue Schweiz?

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Aber selbst wenn die Briten es schafften, eine Position wie die der Schweiz auszuhandeln und selbst wenn sie dies auch wirklich wollten, würden sie noch lange nicht so etwas werden wie eine „Eidgenossenschaft in Groß“. Dazu sind die Strukturen der Volkswirtschaft der beiden Länder zu unterschiedlich. Der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz beruht nicht in erster Linie auf der Zugehörigkeit zum Binnenmarkt, sondern zu einem großen Teil auf einer seit Jahrzehnten grundsoliden Wirtschaftsstruktur und einer stabilitätsorientierten Währungspolitik. Die Schweiz hat traditionell eine viel niedrigere Geldentwertung als Großbritannien. Sie hat solide Staatsfinanzen. Ihr Haushaltsdefizit beträgt 0,2 Prozent des BIP (Großbritannien 4,4 Prozent). Ihre Staatsverschuldung liegt bei 46 Prozent (Großbritannien 89 Prozent).

Die Schweiz hat eine wettbewerbsfähige, vergleichsweise große Industrie. Der Anteil des Produzierenden Gewerbes beträgt 21 Prozent verglichen mit 15 Prozent in Großbritannien. Sie ist damit viel weniger auf den Finanzsektor angewiesen. Sie hat seit Jahren einen Überschuss in der Leistungsbilanz, Großbritannien dagegen ein Defizit. Großbritannien braucht Kapitalzuflüsse, die Schweiz ist dagegen Netto-Kapitalexporteur.

Last but not least hat die Schweiz eine Währung, die traditionell zur Aufwertung neigt. Die Eidgenossenschaft ist für internationale Kapitalbewegungen ein „sicherer Hafen“. Das Britische Pfund Sterling war in der Nachkriegszeit lange Zeit eine Abwertungswährung. Erst in den letzten 20 Jahren hat sich die Währung – nicht zuletzt durch die Konkurrenz durch den Euro – auf einem guten Niveau gehalten (siehe Grafik). Damit kann es bald vorbei sein.

Großbritannien hat daher eine viel schlechtere Ausgangsposition als die Schweiz, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Es wird es schwerer haben, sich ohne Zugehörigkeit zum Binnenmarkt in der Welt zu behaupten. London weiß das. Daher die Überlegungen, sich nach dem Austritt aus der EU besser aufzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft zu erhöhen. Dazu gehören freilich nicht nur niedrige Unternehmenssteuern, wie sie der britische Finanzminister ins Gespräch gebracht hat. Großbritannien muss die Unternehmen auf der Insel vielmehr dem Druck der internationalen Märkte aussetzen und dadurch die Produktivität erhöhen. Vielleicht der größte Vorteil des Binnenmarktes ist nicht die Öffnung der Märkte für ausländische Produkte. Es ist vielmehr der verstärkte Druck des Wettbewerbs.

Für den Anleger

Großbritannien war in den letzten Wochen nach dem Brexit-Referendum ein „Kauf“. Der FTSE 100 stieg auf ein Jahreshoch. Das beruhte aber weniger darauf, dass die Anleger vom Brexit so begeistert waren. Vielmehr waren es die Währungsgewinne der Exportunternehmen durch die Abwertung des Pfundes. Für Investoren aus dem Kontinent wurden sie durch Währungsverluste aufgewogen. Gehen Sie auf absehbare Zeit nicht davon aus, dass Großbritannien die neue Schweiz wird. Ich rate bei Anlagen in Großbritannien vorerst zur Vorsicht. Selbst wenn es gelingt, die Wirtschaft wieder flott zu kriegen, bleibt das Damoklesschwert einer weiteren Abwertung.

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