Interview zur Lage in den Schwellenmärkten „Der Gewinn liegt im Einkauf“
An dieser Stelle finden Sie externen Inhalt, der unseren Artikel ergänzt. Sie können sich die externen Inhalte mit einem Klick anzeigen lassen. Die eingebundene externe Seite setzt, wenn Sie den Inhalt einblenden, selbstständig Cookies, worauf wir keinen Einfluss haben.
Externen Inhalt einmal anzeigen:
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt und Cookies von diesen Drittplattformen gesetzt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Herr Born, die Schwellenmärkte sind zuletzt teils stärker unter Druck geraten – obwohl die konjunkturelle Entwicklung weltweit eigentlich gut läuft. Was sollten Anleger wissen?
Claus Born: In den vergangenen Jahren haben die Schwellenländer eine überaus gute Performance gehabt. Die Annahme, dass ein stärkerer US-Dollar die Länder durch die Bank unter Druck setzt, wird gerne pauschalisiert. Natürlich hinterlassen ein starker US-Dollar und weitreichende Handelskonflikte in den Schwellenmärkten Spuren. Doch es zeigt sich: Bei den Exporteuren in China hat es keinen Gewinneinbruch gegeben. Stattdessen sind aufgrund der Zölle die Preise für Waschmaschinen in den USA um 16 oder 17 Prozent gestiegen. Anleger sollten vorsichtig sein mit voreiligen Schlussfolgerungen. China ist nicht zu 100 Prozent von den USA abhängig. Außerdem hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Binnenwirtschaft gut entwickelt. Und China exportiert mittlerweile seine Produkte in den gesamten asiatisch-pazifischen Raum.
Nicht zuletzt zieht die gute Konjunktur in den USA viel Investorenkapital an. Dadurch haben die Schwellenländer derzeit das Nachsehen, oder?
Herr Born, die Schwellenmärkte sind zuletzt teils stärker unter Druck geraten – obwohl die konjunkturelle Entwicklung weltweit eigentlich gut läuft. Was sollten Anleger wissen?
Claus Born: In den vergangenen Jahren haben die Schwellenländer eine überaus gute Performance gehabt. Die Annahme, dass ein stärkerer US-Dollar die Länder durch die Bank unter Druck setzt, wird gerne pauschalisiert. Natürlich hinterlassen ein starker US-Dollar und weitreichende Handelskonflikte in den Schwellenmärkten Spuren. Doch es zeigt sich: Bei den Exporteuren in China hat es keinen Gewinneinbruch gegeben. Stattdessen sind aufgrund der Zölle die Preise für Waschmaschinen in den USA um 16 oder 17 Prozent gestiegen. Anleger sollten vorsichtig sein mit voreiligen Schlussfolgerungen. China ist nicht zu 100 Prozent von den USA abhängig. Außerdem hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Binnenwirtschaft gut entwickelt. Und China exportiert mittlerweile seine Produkte in den gesamten asiatisch-pazifischen Raum.
Nicht zuletzt zieht die gute Konjunktur in den USA viel Investorenkapital an. Dadurch haben die Schwellenländer derzeit das Nachsehen, oder?
Born: In der Tat, das Gewinnwachstum der US-Unternehmen ist hoch. Hintergrund ist unter anderem Donald Trumps Steuerreform – die allerdings nur einen Einmaleffekt bewirkt. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das diesjährige hohe Gewinnwachstum in den USA wiederholt.
Unter welchen Umständen könnte sich die Lage in den Schwellenmärkten wieder aufhellen?
Born: Die Aktienkurse in den Schwellenländern dürften sich dem guten Gewinnwachstum der dortigen Unternehmen wieder annähern. Das Gewinnwachstum ist der primäre Treiber für Kursavancen. Politische Ereignisse haben zuletzt zu hoher Volatilität in den Schwellenländern geführt, zukünftig sollte aber wieder das Gewinnwachstum, das die Unternehmen aufweisen, die Kurse bestimmen. Aber natürlich ist das globale Bild differenziert zu betrachten: Argentinien, Brasilien, Indien und die Türkei haben zuletzt gelitten.
Nach der Türkei rumorte es jüngst in Argentinien: Das Land musste den IWF um die beschleunigte Auszahlung von Geldern bitten. Warum gelingt es dem Land nach mehreren Reformjahren noch immer nicht, die eigene Wirtschaft und damit die Landeswährung Peso zu stabilisieren?
Born: Argentinien hat bis 2015 eine sehr schwierige Phase durchgemacht: Bürger und Wirtschaft wurden von einer extrem korrupten Regierung gegeißelt. Seither ist es der neuen Regierung unter dem Wirtschaftsliberalen Mauricio Macri in ihren ersten zwei Jahren noch nicht gelungen, das Staatsdefizit im erforderlichen Umfang abzubauen. Sehr viel Geld wurde am internationalen Kapitalmarkt aufgenommen, was zu einer unangemessenen Aufwertung der Währung führte. Zugleich blieb die Inflation viel zu hoch. Dieser Cocktail aus Aufwertung und hoher Inflation hat oft toxische Wirkung, in Argentinien sind die Auswirkungen jetzt zu sehen.
Der IWF hat Argentinien schnelle Hilfe zugesagt. Warum kommt der IWF, der als harter Verhandler gilt, dem Land so bereitwillig entgegen?
Born: Die Verantwortlichen beim IWF sehen die ernsthaften Reformbemühungen im Land. Die vorherige Regierung unter Cristina Fernández de Kirchner war geprägt von einer Ablehnung aller ausländischen Institutionen. Der heutige Staatschef genießt in breiten Teilen der Bevölkerung Rückhalt; deshalb ist die Bereitschaft da, das Land bei seinen Reformen und der Öffnung nach außen zu unterstützen. Nicht zuletzt gibt es auch eine politische Nähe zwischen den USA und Argentinien, das dürfte mit Blick auf den Einsatz des IWF vieles vereinfachen.
Die argentinische Wirtschaft hat mit Herausforderungen zu kämpfen. Dennoch will der Indexanbieter MSCI das Land im kommenden Jahr auf Schwellenländerstatus heraufstufen. Gefährdet die aktuelle Lage diesen Schritt?
Born: Allein wegen der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten dürfte der Indexanbieter MSCI nicht zurückstecken. Der Analyseprozess ist ziemlich komplex. Ausschlaggebend für die MSCI-Prüfer sind die Gewährleistung eines uneingeschränkten Marktzugangs und das Vertrauen in die Institutionen des Landes. Einzig bei der Einführung von Kapitalkontrollen wäre das Index-Update gefährdet.
Viele Analysten fahren direkt in die einzelnen Länder, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Sie haben in Argentinien gelebt und bis vor vier Jahren dort für Franklin Templeton Investments gearbeitet. Kürzlich waren Sie wieder dort: Wie ist Ihr Eindruck der Lage?
Born: Auffällig ist: Die politische Kultur hat sich sehr zum Besseren gewandelt. Sie ist sehr zivilisiert geworden. Zuvor gab es eine sehr aggressive politische Kultur gegenüber Gegnern. Das Land war von extremer Korruption – bis hinauf auf die höchste Ebene – geprägt. Und die Politik war nicht nur korrupt, sondern sie war auch schlecht gemacht. Heute kommen die Verantwortlichen in den Ministerien aus professionellen Bereichen, es gibt einen sehr deutlichen Qualitätsunterschied zu früher. Viele Argentinier sind heute bereit, den neuen Weg mitzugehen.
Aber auch auf offener Straße lassen sich die Unterschiede zu früher sehen. In Buenos Aires fahren jetzt moderne Busse auf eigenen Busspuren. Was beim Umbau des Staates gelingen soll, wird im Straßenverkehr von Argentiniens Hauptstadt bereits gelebt: Es kehrt mehr Ordnung ein, alles wird agiler.
Welche Sektoren bieten sich in Argentinien für Investments an und warum?
Born: Wer die Krise als langfristige Chance sieht, kann jetzt kaufen, sollte fünf Jahre lang die Augen schließen und sich zwischenzeitlich nicht aufregen, denn die zukünftige Entwicklung des Landes dürfte wie üblich in Wellen verlaufen. Nach wie vor ist der Bankensektor interessant, weil die Marktdurchdringungsraten des Finanzsektors in Argentinien noch relativ gering sind. Dadurch ist die Möglichkeit hoher Wachstumsraten gegeben. Die Aktienkurse der Banken sind derzeit im Keller, weil der Sektor vom Währungsverfall des Peso beeinträchtigt worden ist: Die übergroße Mehrheit der Bilanzsummen argentinischer Banken notiert in der Nationalwährung, die im Vergleich zu US-Dollar und Euro seit Jahresbeginn 50 Prozent an Wert verloren hat.
Für Anleger interessant ist auch der Öl- und Gassektor des Landes. Argentinien verfügt über enorme natürliche Ressourcen.
Und abgesehen vom Banken- und Energiesektor?
Born: Stark aufgestellt ist Argentinien auch im E-Commerce: Mit MercadoLibre verfügt das Land über einen innovativen Player, der in ganz Lateinamerika von Argentinien, Brasilien, Chile bis hoch hinauf nach Mexiko tätig ist. Die Aktien des Markführers werden auch an der NASDAQ gehandelt.
Ein weiteres interessantes Unternehmen, das man hierzulande nicht unbedingt auf dem Radar hat, in Argentinien aber eine ganz große Nummer ist: Arcos Dorados, Restaurant-Riese und Franchisenehmer von McDonald's in praktisch ganz Lateinamerika und der Karibik. Der Burger-Riese hat in Argentinien und der gesamten Region einen entschieden anderen Stellenwert als bei uns.
Wie sieht es mit Chancen im Agrarsektor aus?
Born: Die Landwirtschaft bleibt das Rückgrat der argentinischen Wirtschaft. Hier gibt es allerdings nur wenige börsennotierte Unternehmen. Eines davon ist Adecoagro, ebenfalls in New York notiert. Auch dieses Unternehmen ist nicht nur in Argentinien aktiv, sondern hat sich auch auf Anbau und Verarbeitung von Zuckerrohr in Brasilien spezialisiert, unter anderem zur Gewinnung von Bioethanol und Energie aus Zuckerrohr-Bagasse – ein wichtiges Zukunftsthema.
Wann sollten Anleger einen Einstieg erwägen?
Born: In Argentinien wird es noch eine Zeit lang auf und ab gehen. Die Schwellenländer insgesamt sollten sich Anleger aber wieder näher ansehen. Wer breit diversifiziert, muss temporäre Engpässe nicht scheuen. Für Investments in den Schwellenländern spricht außerdem ein höheres Wirtschaftswachstum als in den Industrieländern. Die Dynamik sollte sich im kommenden Jahr wieder ausweiten. Getragen wird die Konjunktur hier nicht zuletzt von der günstigen demografischen Entwicklung. Die ungeheure Vielzahl von leistungsbereiten Absolventen schafft ein gutes Umfeld für Innovationen.
Anleger sollten sich nicht täuschen: Auch wenn sich im laufenden Jahr Währungen und Aktienbewertungen schwach zeigen, dürfte jetzt für Anleger ein guter Einstiegszeitpunkt sein – es gilt die alte kaufmännische Weisheit: Der Gewinn liegt im Einkauf.