LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in Income StrategienLesedauer: 5 Minuten

Klimawandel macht es möglich Schottland entdeckt den Weinanbau

Dank des Klimawandels wird Christopher Trotter in diesem Jahr Geschichte schreiben: Der Schotte wird nördlich von Edinburgh erstmals Wein ernten.

Die Weinlese 2014 ist eine Besonderheit für Schottland, wo die Hochlandbewohner seit Jahrhunderten Whisky brennen und Gerstenbier brauen. “Schottland ist wahrscheinlich eher eine Biertrinker-Nation”, sagt Koch und Gourmet-Autor Trotter. Wein sei nicht Teil der Kultur - “bis jetzt”.

Trotter sollte ein Glas seines neuen Weißweins erheben - im Andenken an eine verschwindende Welt. Denn der Klimawandel, der Forschern zufolge auf Treibhausgase in der Atmosphäre zurückzuführen ist, verwandelt weltweit die Traditionen in der 270 Milliarden Dollar (196 Milliarden Euro) schweren Weinbranche.

In Europa flüchten die italienischen und spanischen Winzer die Berghänge hinauf, während die wärmeren Jahreszeiten Deutschland zu einem Gewinner machen und den Anbau in Polen beflügeln. In Frankreich steigt infolge des Klimawandels der Alkoholgehalt und ändert die Aromen der weltbekannten Weine.

Vitis vinifera, die gemeine Weinrebe, ist eine empfindliche Frucht. Um zu gedeihen, braucht sie eine jährliche Durchschnittstemperatur von 10 Grad bis 20 Grad Celsius. Außergewöhnliche Trockenheit, Hagelschlag oder zu viel Regen können eine Weinernte beschädigen oder gar vernichten. “Wein reagiert sehr stark auf Klimafaktoren”, sagt Karl Storchmann, Wirtschaftsprofessor an der New York University und Managing Editor des Fachmagazins Journal of Wine Economics. “Das gilt besonders für edle Weine, wo witterungsbedingte Preisschwankungen von Weinlese zu Weinlese 1000 Prozent übertreffen können.”

Die 30 Jahre bis 2012 waren wahrscheinlich die wärmsten seit 1400 Jahren, erklärte die Zwischenstaatliche Sachverständigengruppe für Klimaänderungen. Der Anbau der Reben weitet sich daher auf nördlichere Breitengrade aus, die eher für Whiskys und Biere bekannt sind.

Erhebliche Ausweitung der Anbaugebiete in Richtung der Pole

Dem 400-seitigen Welt-Weinatlas zufolge wurde bereits eine “erhebliche” Ausweitung der Anbaugebiete in Richtung der Pole verzeichnet. Bis zu 73 Prozent der heute führenden Weinanbau- Regionen werden bis 2050 nicht mehr optimal sein, ergab eine Studie von Lee Hannah, einem Wissenschaftler am Conservation International in Arlington im US-Bundesstaat Virginia.

In Europa wurden die Rebsorten über mehr als tausend Jahre den lokalen Klimaverhältnissen angepasst. Angesichts steigender Temperaturen müssen sich die Winzer in größere Meereshöhen oder an Nordhänge retten. In Frankreich, das zusammen mit Italien und Spanien zu den Top-Produzenten von Weinen gehört, sorgt die globale Erwärmung bereits für einen höheren Zuckergehalt in den Trauben. Das bedeutet mehr Alkohol und weniger Säuren und Tannine, die den Charakter des Weins prägen - wie die Frische eines Rieslings oder die Komplexität eines gealterten Bordeaux. Neben den Folgen für die Qualität hat das auch Auswirkungen auf die Haltbarkeit.

In der Bordeaux-Region im Südwesten des Landes, wo schon die Römern Wein angepflanzt haben, ist der Alkoholgehalt auf 13 bis 14 Prozent gestiegen, verglichen mit 11 Prozent vor 15 Jahren, schrieb Christian Seely, Geschäftsführer des Weingutbesitzers Axa Millesimes im September in einer Präsentation für ein Symposium zum Weinalkoholgehalt.

“Der Bordeaux, den wir heute trinken, wird nicht der Bordeaux sein, den wir in 20 Jahren trinken werden”, sagt Antonio Busalacchi, ein Klimaforscher an der University of Maryland in College Park. Der Wein werde sich in Zukunft von den edlen Tropfen unterscheiden, die die Region weltberühmt gemacht haben, während sich die Aromen wie schwarze Johannisbeere und Zigarrenschachtel in würzigere und pfeffrigere wandeln, sagt er.

Polen testet Kältegrenzen für Wein

Doch nicht für alle Staaten ist die globale Erwärmung von Nachteil. So testen die Anbauer in Polen verstärkt die Kältegrenzen für Wein aus, sagt Gregory Jones, Klimatologe an der Southern Oregon University in Ashland. Im polnischen Karpatenvorland ist die Zahl der Weinbaubetriebe laut lokalem Branchenverband in zehn Jahren von 40 auf 100 gestiegen.

Auch das Rhein-Tal in Deutschland, dem nördlichsten bedeutenden Weinproduzenten, wird Jones zufolge von den klimatischen Änderungen profitieren. Nach Angaben des Deutschen Weininstituts hat sich hierzulande das Risiko, dass spätere Sorten nicht mehr reifen, vollständig in Luft ausgelöst.

Die weiße Rebsorte Müller Thurgau, die bei niedrigeren Temperaturen reift als andere Varianten, wird auf etwa der Hälfte der deutschen Rebflächen angebaut. Der Pinot-Noir-Anteil stieg von 3,8 Prozent in 1980 auf etwa 11 Prozent.

Extreme Wetterlagen, die auch durch Klimaänderungen hervorgerufen werden können, bedrohen den Weinanbau. Eine Studie der Europäischen Union vom Januar sagt mehr Dürreperioden in Südeuropa voraus sowie einen Rückgang der Mindest- Durchflussmenge in Spanien, Portugal und Südfrankreich um bis zu 40 Prozent.

Bordeaux, Burgund und Vouvray im Loire-Tal haben letztes Jahr unter Hagelstürmen im Sommer gelitten, die ganze Parzellen mit Weinreben zerstörten. Zwischen 1989 und 2009 hat die Intensität des Hagelschlags in Frankreich um 70 Prozent zugenommen, auch wenn die Häufigkeit nicht deutlich zunahm.

Neben dem Hagel fürchten die Winzer auch zu hohe Temperaturen. Eine Hitzewelle im Jahre 2012 und Dürren in Südeuropa haben die Ernte in Italien, Frankreich und Spanien um 12 Prozent gemindert, zeigen Daten der Internationalen Organisation für Rebe und Wein in Paris.

Temperaturen über 35 Grad schaden dem Rebstock - und solche Hitzegrade werden im Verlauf dieses Jahrhunderts wahrscheinlich in den wärmeren Anbauregionen immer öfter erreicht werden. Das liegt klar über dem Ideal zwischen 10 und 20 Grad.

Hitze-Probleme hat der schottische Winzer Trotter derzeit nicht zu fürchten. Der letzte Sommer in Fife in Ost-Schottland, wo Viehweiden und Gerstenfeldern vorherrschen, war der heißeste in seiner Erinnerung. Eine Wetterstation rund 20 Kilometer nördlich seines Weingartens zeigte im Juli 2013 im Tagesschnitt 21,4 Grad an - den zweithöchsten in der Messreihe.

Trotter hat in einem ersten Schritt 200 Weinstöcke angepflanzt, drei Viertel davon mit Solaris-Trauben. Diese frühblühende Sorte, die 1975 in Deutschland gezüchtet wurde, habe er wegen der schnellen Reifung ausgesucht, weniger wegen der Qualität. Für Sauvignon Blanc sei es noch zu kalt, sagt er.

Die erste Ernte wird wohl nicht mehr als ein Dutzend Flaschen ergeben. Sollte die Auslese ein Erfolg sein, will Trotter den Weingarten auf die gesamten 2,4 Hektar ausdehnen.

Trotter sorgt sich kaum um die Winterkälte, sondern eher um die Rehe, die die Rosenstöcke im Weinberg fressen. Auf die Frage, ob seine Trauben genügend Wärme erhalten, um auszureifen, sagt er: “Wir sind recht zuversichtlich.”

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen