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Aktualisiert am 27.01.2020 - 17:44 Uhrin MärkteLesedauer: 4 Minuten

Was ist denn da los? Indische Börse steigt um 17 Prozent an einem Tag

Robert Kalin, DWS
Robert Kalin, DWS

DAS INVESTMENT.COM: Nach dem Wahlsieg der regierenden Kongresspartei Anfang der Woche ist der indische Sensex-Index um rund 17 Prozentpunkte gestiegen. Was sind die Hintergründe des steilen Aufschwungs? Robert Kalin: Die positive Reaktion der Investoren auf den Sieg der Kongresspartei ist vor allem auf die Erwartung zurückzuführen, dass die Regierung des bisherigen und künftigen Premierministers Manmohan Singh ihre Reformprogramme fortsetzt. Man rechnet mit einem Fortschritt in den Sektoren Energie, Finanzen und Handel. Wir erwarten in den nächsten zwölf Monaten Regierungsmaßnahmen, die ausländische Investoren nach Indien locken sollen. Sollten diese Programme erfolgreich sein, rechnen wir mit einem nachhaltigen Wachstum von jährlichen 5 bis 10 Prozent. DAS INVESTMENT.com: Und wie geht es auf kurze Sicht weiter, erwarten Sie, dass sich der Aufwärtstrend fortsetzt? Kalin: Schwer zu sagen. Das Auf und Ab der Finanzmärkte lehrt uns, dass nach einem plötzlichen steilen Aufschwung häufig eine Konsolidierungsphase einsetzt.  Jedoch glaube ich, dass der Aufschwung noch eine Weile anhalten wird, bevor ein weiteres Tief folgt. In welche Richtung sich die Märkte danach entwickeln, wird sowohl vom Erfolg der von der neuen Regierung initiierten Reformen als auch von den Gewinnerwartungen und der allgemeinen Stimmung auf den Aktienmärkten abhängen. DAS INVESTMENT.com: Vor knapp 12 Monaten stand der Sensex bei 22.000 Punkten und ist dann auf 6.000 Punkte eingebrochen. Glauben Sie, dass der Index seinen alten Höchststand in absehbarer Zeit erreichen wird? Kalin: Ich würde es keinesfalls ausschließen. Der indische Markt hat ein enormes Wachstumspotenzial. Daher halte ich eine Rückkehr zu dem Allzeithoch, wie er Anfang vergangenen Jahres erreicht wurde, für sehr gut möglich. Denn in manchen Bereichen hat Indien einen Vorsprung gegenüber den entwickelten Industrieländern. DAS INVESTMENT.com: Und die wären? Kalin: Beispielsweise funktioniert das indische Finanzsystem besser als das europäische oder US-amerikanische. Wenn die Regierung noch die Reformerwartungen der Investoren erfüllt, rechne ich fest damit, dass das Land in den nächsten fünf Jahren sogar höhere Wachstumsraten als vor der Krise verzeichnen wird. DAS INVESTMENT.com: Wie steht Indien derzeit verglichen mit den drei anderen Bric-Staaten Brasilien, Russland und China da? Kalin: Ich bin davon überzeugt, dass indische Aktien langfristig eine genauso gute – wenn nicht bessere – Performance wie die anderen Bric-Staaten erreichen können. In vielerlei Hinsicht ist Indien zwar das am wenigsten entwickelte unter den vier Ländern – insbesondere was die Infrastruktur, die Energieversorgung sowie die Staatsfinanzen betrifft. In den Branchen IT, Pharma, Konstruktion und Design hingegen ist Indien den drei anderen Staaten haushoch überlegen. DAS INVESTMENT.com: Wenn Sie, ausgehend von der gegenwärtigen Marktsituation, eine Rangfolge der vier Bric-Staaten erstellen müssten, angefangen bei dem kurzfristig attraktivsten bis hin zum am wenigsten attraktivsten, wie würde diese aussehen? Kalin: Russland, China, Brasilien, Indien DAS INVESTMENT.com: Und warum? Kalin: Bei Russland gehen wir davon aus, dass das Land von dem gestiegenen Ölpreis am meisten profitieren wird. Indien rangiert momentan am Ende der Attraktivitätsliste, da wir damit rechnen, dass auf den steilen Aufschwung eine Konsolidierungsphase folgen wird. Insgesamt betrachten wir aber alle vier Bric-Staaten als attraktiv für Investoren. DAS INVESTMENT.com: Seit Jahresbeginn kletterte der Sensex-Index um 48 Prozent. Dieser für ganz Asien überdurchschnittlicher Wert wird nur von dem chinesischen Shenzen-Index in den Schatten gestellt, der im selben Zeitraum 61 Prozent zulegte. Wie erklären Sie sich, dass ein kommunistischer Staat eine größere Krisenresistenz und größeres Wachstum zeigt als die weltgrößte Demokratie? Kalin: Jede Outperformance eines Landes ist auf zwei Faktoren zurückzuführen, wobei das politische System weniger wichtig ist als die finanziellen Rahmenbedingungen. Natürlich können in einer Diktatur Reformen schneller beschlossen und durchgesetzt werden, als mit einer demokratischen Regierung, die parlamentarische Minderheiten berücksichtigen muss. Ausschlaggebend ist meiner Ansicht nach jedoch die Überlegenheit der chinesischen Regierung in Bezug auf die Staatsfinanzen. So hat China größere Währungsreserven als Indien. Auch der chinesische Staatshaushalt ist im Vergleich zum indischen wesentlich ausgeglichener. Dies ermöglichte China, wesentlich aggressivere Konjunkturprogramme als Indien durchzuführen. DAS INVESTMENT.com: Eine auch im Vergleich mit anderen Schwellenländern katastrophale Infrastruktur sowie eine große Kluft zwischen Arm und Reich auf der einen und ein steigendes KGV auf der anderen Seite – manche Analysten halten den indischen Markt derzeit für überbewertet. Was meinen Sie dazu? Kalin: Gemessen an den durchschnittlichen Gewinnerwartungen der letzten fünf Jahre ist der indische Markt sehr fair bewertet. Und ich glaube, dass wir in den nächsten sechs Monaten noch eine Serie von Gewinnsteigerungen erleben werden. DAS INVESTMENT.com: Welche Konsequenzen hatte der Kursanstieg für Ihren Fonds und für Ihre Investitionsstrategie? Kalin: Ich habe die Gewichtung unterschiedlicher Sektoren im Portfolio geändert, wobei ich die Positionen im IT-Service-Sektor abgebaut und dafür den Anteil an Titeln, die vom Ausbau der Infrastruktur sowie dem Inlandkonsum profitieren werden erhöht. Außerdem habe ich Anteile an mehreren mittelgroßen Unternehmen gekauft, ohne mich jedoch von den großen Unternehmen zu trennen.

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