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Chefvolkswirt von Unicredit: Europa-Bonds verschärfen die Krise

Eine griechische Kirche. <br> E-Bonds helfen den Krisenländern wie Griechenland und Irland nicht, <br> meint Andreas Rees; Quelle: Fotolia
Eine griechische Kirche.
E-Bonds helfen den Krisenländern wie Griechenland und Irland nicht,
meint Andreas Rees; Quelle: Fotolia
Zu Beginn dieser Woche haben Jean-Claude Juncker und Giulio Tremonti mit ihrem Artikel in der Financial Times aufhorchen lassen. Durch die Auflage von sogenannten E-Bonds soll die europäische Staatsschuldenkrise gemeistert werden. Eine – noch zu gründende – europäische Schuldenagentur begibt Anleihen, für die alle EWU-Mitgliedsstaaten gemeinsam haften. Krisenländer könnten so weiterhin Mittel am Rentenmarkt zu relativ günstigen Konditionen aufnehmen. Die E-Bonds sollen nationale Staatsanleihen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Neben einer höheren Liquidität am Anleihemarkt versprechen sich Juncker und Tremonti vor allem eine rasche Beendigung der Krise. Übermäßige Nervosität und das Übergreifen des Krisenvirus auf andere Länder ließen sich dadurch eindämmen, so die beiden Politiker.

Kritiker dieses Vorschlags haben insbesondere auf die Gefahr einer Transferunion innerhalb Europas hingewiesen. Der Anreiz, sich auf Kosten anderer EWU-Länder zu verschulden, würde sich massiv erhöhen. Weiterhin wurden juristische Bedenken laut, verstößt die Einführung von E-Bonds doch gegen Artikel 103 des EU-Vertrags. Demnach haftet ein Mitgliedsstaat nicht für die Verbindlichkeiten eines anderen EWU-Landes. Diese Argumente sind zwar zutreffend. Aus Sicht von Juncker und Tremonti ließe sich aber noch immer argumentieren: Bei gutem Willen aller Beteiligten können Verträge rasch geändert werden. Eine Transferunion wäre der Preis, den finanzstarke Länder wie Deutschland und Frankreich für den Erhalt des Euro bezahlen müssen. Wer also hat Recht? Nach meiner Einschätzung ist ein Punkt in der Diskussion bislang ausgeblendet worden: E-Bonds sind kein taugliches Instrument, um die derzeitige Krise wirklich in den Griff zu bekommen, im Gegenteil. Faktisch würden sie die Anspannungen an den Rentenmärkten weiter verschärfen:

•    Die Ausgabe von E-Bonds würde die Zinssätze für portugiesische und spanische Staatsanleihen massiv in die Höhe treiben. Aufgrund der jüngsten Turbulenzen dürfte ein Großteil der Anleger in den vermeintlich sicheren Hafen einer europäischen Gemeinschaftsanleihe flüchten. Neu auf den Markt kommende Anleihen aus Portugal und Spanien werden nicht mehr gezeichnet. Diese Länder sind dann zur Finanzierung ihrer Nettokreditaufnahme vollständig auf den E-Bond angewiesen. Damit aber nicht genug. Angesichts der hohen Risikoaversion tritt schlimmstenfalls ein Dominoeffekt ein, da Investoren grundsätzlich auf Nummer sicher gehen wollen. Abgesehen von deutschen und französischen Staatsanleihen werden möglicherweise nur noch E-Bonds gekauft.

•    Juncker und Tremonti empfehlen einen Abschlag auf bereits bestehende nationale Anleihen. Möchten Anleger diese in E-Bonds umtauschen, müssen sie bereit sein, einen "Haircut" in Kauf zu nehmen. Faktisch kommt dieser Vorschlag einer Umstrukturierung von Altschulden gleich. In dem augenblicklichen Umfeld würde der Krisenvirus dadurch potenziert werden. Wer diesen Abschlag bestimmt und in welcher Höhe, bleibt zudem unklar. Wird der Haircut zu niedrig gewählt, flüchten Investoren nahezu automatisch in E-Bonds. Wird er hingegen zu hoch angesetzt, geht ein äußerst negatives Signal an die Anleger. Faktisch wird (von der Politik) suggeriert, dass ein Mitgliedsland ohne eine massive Umstrukturierung nicht in der Lage ist, seine Schulden noch zu bedienen. In beiden Fällen ist die Gefahr einer weiteren Eskalation hoch.

•    Die von Juncker und Tremonti genannten Volumina für europäische Gemeinschaftsanleihen sind im Falle Deutschlands sehr hoch. Mittelfristig sollen die ausstehenden E-Bonds jeweils 40 Prozent des BIP in den Mitgliedsländern ausmachen. Für Deutschland würde dies bedeuten, dass etwa die Hälfte der Bundesanleihen im Umfang von rund 1.000 Milliarden Euro durch E-Bonds mit einem höheren Ausfallrisiko ersetzt werden. Zum Vergleich: Die beim EFSF von Deutschland erbrachten Garantien belaufen sich lediglich auf 120 Milliarden Euro.
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