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„Das Rating-System war einfach zu gemütlich“

Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer <br> der Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz
Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer
der Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz
Rating-Agenturen waren einmal eine gute Idee. Sie sind eine Instanz, die viel besser als der Normalanleger in die Bücher der Schuldner schauen kann und daher ein realistisches Bild von dessen Zustand zeichnen kann. Die Rating-Agenturen haben Zugang zu den Zahlen hinter den Bilanzen, können in den Unternehmen selbst in die Bücher schauen und sind nicht angewiesen auf das, was hoi polloi (griechisch für „das normale Volk“) zu sehen bekommen.

Darin sind sie einem Wirtschaftsprüfer vergleichbar und ihre Meinung hat entsprechendes Gewicht. Das Urteil der Agenturen ist wohlfundiert und der Anleger kann guten Gewissens Zutrauen fassen in den Schuldner, wovon am Ende beide etwas haben. Der Anleger kennt seine Risiken und der Schuldner kommt an Geld.

Vielleicht war das System einfach zu gemütlich: Die Fondsmanager sahen in den Ratings eine wundervolle Gelegenheit die Verantwortung für ihre Anlageentscheidung zu delegieren. Ging eine Anleihe den Bach hinunter, konnten sie sich erschüttert zeigen, dass ein Papier mit einem so guten Rating einfach nicht hält, was es verspricht.

Der Staat hatte auch etwas davon, denn er bekam mehr Kredit, als er verdiente. Das hängt mit Basel II zusammen, jenem Regelwerk von international akzeptierten Standards, dem die Banken derzeit unterworfen sind. Basel II legt fest, dass die Banken für Schuldner erster Güte, wie etwa Staaten, wenig oder kein Eigenkapital zur Seite legen müssen.

Für die Banken ist das herrlich, denn sie können die kümmerlich verzinsten Spareinlagen in deutlich höher verzinsliche Staatsanleihen investieren und die Differenz kassieren, ohne eigenes Geld zurückzulegen für einen eventuellen Ausfall. Über diesen Mechanismus, für den die Ratings als Gleitmittel dienten, sind die Staaten an das Geld der Sparer gekommen, mit denen sie immer größere Schuldenberge finanzierten und das Sparen auf die nächste Legislaturperiode verschoben.

Die Existenz der Rating-Agenturen hat den Staaten noch auf eine andere Weise Geld verschafft: Da Ratings von Staaten immer besser sind als die der Unternehmen in diesen Ländern, haben Banken immer lieber Geld an die Staaten verliehen, als an die Unternehmen - sie mussten weniger Eigenkapital einsetzen. Wenn Staaten ein gutes Rating hatten, mussten sie weniger für Kredite zahlen und durch die geringere Zinslast verbesserte sich die Bonität. Es entstand für viele Staaten, deren Rating sich in den letzen beiden Jahrzehnten verbesserte, ein positiver Rückkopplungseffekt: Je besser das Rating, desto geringer die Zinslast, desto besser das Rating...

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