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Kauf oder Flucht? Finanzexperten über den Dax-Einbruch

Quelle: Deutsche Börse
Quelle: Deutsche Börse
Der Dax gab am heutigen Donnerstag den siebten Handelstag in Folge nach. Seit dem 27. Juli büßte der deutsche Leitindex rund elf Prozent ein. Für die einen ein eindeutiges Krisenzeichen, für die andere die beste Gelegenheit für eine ausgedehnte Schnäppchenjagd. Wir fassen die Reaktionen der Finanzexperten zusammen.

Die (vorsichtigen) Optimisten erkennen zwar die Gefahren, gehen aber trotzdem auf Schnäppchenjagd…

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank zum "Handelsblatt": "Man kann die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland mit einer Bergwanderung vergleichen. Es geht aufwärts, aber links und rechts droht der Absturz. An einer solchen engen Stelle sind wir gerade. Aber meistens gehen Bergwanderungen ja gut."

Richard Pease, Manager des Henderson Horizon European Growth Fund, in einer Pressemitteilung: "Ich habe es in meiner über 25jährigen Karriere als Fondsmanager selten erlebt, dass Unternehmen von solcher Qualität, Unternehmen mit soliden Bilanzen und Dividendenrenditen so günstig bewertet sind. Viele der Unternehmen haben ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10 bis 11 bei einer Cashflow-Rendite von 8 bis 11 Prozent".

Ben Funnell, Hedge-Fonds-Manager GLG, sagte dem "Handelsblatt": Einige Trends seien nach wie vor intakt. Bis vor ein paar Tagen habe der Markt noch sehr gut zwischen Unternehmen mit steigenden Gewinnen und solchen mit eher negativen Aussichten unterscheiden können. Funell gefallen derzeit zum Beispiel Aktien von Luxus-Güterproduzenten und von hochwertigen Einzelhändlern.

Christian Kahler, Chefstratege der DZ Bank, zum "Handelsblatt": "Ein Ende des Konjunkturaufschwungs in diesem Jahr ist unwahrscheinlich. Kurzfristig kann es sein, dass es wegen der ungeklärten Lage in Italien und Spanien weiter nach unten geht. Für denjenigen, der nach günstigen Einstiegschancen sucht, ergeben sich jetzt Kaufgelegenheiten."


… oder sehen angesichts steigender Inflation keine Alternative zum Aktienmarkt

Helmut Knestel, Portfoliomanager der vier Multi-Asset-Fonds des Finanzdienstleisters Gecam AG, zu DAS INVESTMENT.com: "Nach Schätzungen der LBBW kommen die Dax-Werte im Jahr 2011 voraussichtlich auf einen kumulierten Gewinn von 620 Punkten. Dies macht bei rund 7.150 Punkten ein KGV von etwa 11,7. Deutsche zehnjährige Bundesanleihen kommen bei einer Rendite von 2,6 Prozent auf ein 38er KGV, das heißt man benötigt an die 38 Jahre um die Investition (vor Steuern) über die Zinszahlungen einzuspielen. Es ist kaum denkbar, dass damit ein inflationsgeschützter Vermögenserhalt möglich ist. Für alle mehr oder weniger Fußballambitionierten gibt es hierzu ein plastisches Beispiel: 1982, also vor knapp 30 Jahren, zahlte der FC Bayern laut Wikipedia für einen der damals besten europäischen Torhüter (Jean-Marie Pfaff) rund 1 Million DM Ablöse – also rund 0,5 Millionen Euro. Manuel Neuer kostete vor wenigen Monaten 25 Millionen Euro Ablöse – also das 50-fache. Der Dax notierte 1982 bei rund 500 Punkten."

Die Unentschiedenen raten zum Abwarten, sprechen aber auch einige Aktienempfehlungen in defensiven Sektoren aus

Arnim E. Kogge, Leiter Private Banking und Institutional Banking beim Bankhaus Ellwanger & Geiger, in einer Pressemitteilung: "Augenblicklich wird ein Angstszenario geradezu inszeniert und die Entwicklung der Weltkonjunktur wird schwärzer gezeichnet, als sie tatsächlich ist. In solch einer emotionalen Stimmung macht es sicherlich wenig Sinn, das „fallende Messer“ auffangen zu wollen. Es sieht so aus, als ob der Markt insbesondere den Dax auf den Stand nach der Erdbebenkatastrophe in Japan, damals lag er bei 6.483 Punkten, hintreiben lassen möchte. In dieser klaren Überverkaufssituation ist eine abwartende Haltung richtig. Sie bietet aber durchaus gute Kaufgelegenheiten, insbesondere bei den defensiven Unternehmen wie der Chemie- und der Gesundheitsbranche."

Die Pessimisten prangern den Umgang der europäischen Regierungen mit der Euro-Krise an und entwerfen Horrorszenarien

Harald Preißler, Chefvolkswirt des Anleihenspezialisten Bantleon, zu DAS INVESTMENT.com: "Mein ganz persönliches Horrorszenario ist, was eigentlich passieren soll, wenn Deutschland die ganzen Bürgschaften am Hals hat, die Länder irgendwann den Default erklären und wir dann die Schulden abtragen müssten, derer sich die anderen schon längst entledigt hätten. Das könnte am Ende teurer werden als die Wiedervereinigung."

Cyrus Moriabadi, Leiter der deutschen Einheit des Schweizer Landert Family Office, auf die Frage von DAS INVESTMENT.com, ob Deutschland bisher Gewinner oder Verlierer der Eurokrise ist: "Finanzielles Desaster, sozialer Unfriede, Verlust der Glaubwürdigkeit – wo ist da der Gewinner?"

Robert Halver von der Baader Bank zur dpa: “Solange es keine Konzepte für die Industrie in den USA gibt und auch Griechenland oder Portugal ohne Perspektiven gelassen werden, sieht es düster aus. Der Dax leidet dabei doppelt, weil es auch um Exportperspektiven für Deutschland geht.“

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