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„Noch nie hatten Politiker so wenig Ahnung von Wirtschaft wie heute“

Holger Schmitz
Holger Schmitz
Zur Eurokrise

Frage der Redaktion: Wäre eine Stärkung statt einer Beschneidung des Euro nicht viel sinnvoller, um im globalen Wettbewerb gegen Amerika und Asien bestehen zu können?

Holger Schmitz: Wenn die Eurozone ausgeweitet wird, werden auch die mit der Eurokrise verbundenen Probleme ausgeweitet. Nicht die Größe ist das Problem, sondern die Unterschiede der einzelnen Länder bezüglich ihrer Disziplin für sparsames Wirtschaften, Wille und Kraft für nachhaltige Reformen sowie die generelle Einstellung zu Leistung und Gegenleistung. Globaler Wettbewerb entscheidet sich nicht durch Größenvergleiche, sondern durch Effizienzvergleiche.

Frage der Redaktion: Wenn man Ihnen sagte: Lösen Sie die Krise! Welche drei Maßnahmen würden Sie ergreifen?

Schmitz: Die aktuelle Krise ist keine Eurokrise, auch keine Staatsschuldenkrise, sondern eine Politikerkrise. Noch nie in der Geschichte hatten wir so wenig ökonomischen Sachverstand bei den (un-)verantwortlichen Politikern.

Hier liegt die wahre Ursache der derzeitigen Probleme und nur hier kann auch eine nachhaltige Lösung gefunden werden. Wir sollten auf demokratischem Weg die Macht der ausgabe- und verteilungswütigen Politiker beschneiden. Denn wir haben angesichts historisch hoher Steuereinnahmen kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem.

Frage der Redaktion: Welche gute Idee zur Bewältigung der Eurokrise ist Ihrer Meinung nach in der politischen Diskussion untergegangen?

Schmitz: Es gibt viele ökonomisch vernünftige Lösungen zur nachhaltigen Bewältigung der Eurokrise. Beispielsweise die Aufspaltung des Euro in einen Nord- und Süd-Euro. Leider werden sie aber von ökonomisch ignoranten und gleichzeitig beratungsresistenten Politikern allesamt aus kurzsichtigem Denken verworfen, denn die Eurorettung ist ja „alternativlos“, koste es die deutschen Sparer und Steuerzahler was es wolle.

Leserfrage:
Tritt Griechenland noch vor Jahresende aus dem Euro aus?

Schmitz: Sobald die griechischen Politiker erkennen, dass sie keine weiteren Geldgeschenke (sic!) mehr von den solider wirtschaftenden Ländern erhalten können, werden sie wieder eine neue griechische Drachme einführen. Das wird sie mit einer kräftigen Abwertung gegenüber dem Euro wirtschaftlich wieder konkurrenzfähig machen.

Denn Griechenland hat nur zwei Möglichkeiten: Entweder müssen die zu stark gestiegenen Lohnstückkosten um ein Drittel gesenkt werden, was politisch nicht durchzusetzen ist, oder die eigene Währung muss deutlich abgewertet werden, was aber nur nach einem Austritt aus dem Euroverbund möglich ist.

Leserfrage: Was würde Deutschland der Austritt Griechenlands durch die eingegangenen Verbindlichkeiten kosten?

Schmitz:
Je früher der Austritt Griechenlands kommt, desto geringer sind die Vermögensverluste für Deutschland und deutschen Sparer. Für einen „Grexit“ noch im Jahr 2012 kursieren unterschiedliche Schätzungen. Am glaubwürdigsten erscheinen Zahlenangaben von 200 Milliarden Euro, die im Falle von Dominoeffekten – auch Spanien und Italien verlassen den Euroverbund – jedoch deutlich über eine Billion Euro gehen können.

Das würde die deutsche Staatsverschuldung  von aktuell über 2.000 Milliarden Euro schlagartig um die Hälfte ansteigen lässt. Eine Abgabe auf alle Vermögen in Deutschland in einer Größenordnung von 20 oder 30 Prozent würde dann noch schneller Wirklichkeit werden.

Frage der Redaktion: Wie lange kann die Schweiz noch den Wechselkurs zum Euro bei 1,20 halten?

Schmitz: Mittel- bis langfristig wird der Schweizer Franken sowohl gegenüber Euro als auch US-Dollar aufwerten, weil sich die Schweizer Nationalbank als einzige westliche Notenbank ihre Unabhängigkeit von der Politik erhalten hat. Sie nimmt zudem ihren gesetzlichen Auftrag vom Erhalt der Kaufkraftstabilität der eigenen Währung ernst.

Spitzt sich die Eurokrise in den nächsten Monaten wieder zu, wird die Schweizer Nationalbank die Untergrenze nicht mehr verteidigen können, denn die Währungsreserven haben sich seit Mai diesen Jahres durch die Aufkäufe von Euro bereits um rund 200 Milliarden Franken mehr als verdoppelt.

Der letzte ähnlich gelagerte Versuch einer Kursstützung am Devisenmarkt durch hemmungslose Aufkäufe der damaligen zur Schwäche neigenden Deutschen Mark endete Ende der 1970er Jahre mit einem Anstieg der Schweizer Inflationsrate von einem Prozent auf über sieben Prozent in weniger als zwei Jahren.

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