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Aktualisiert am 04.10.2016 - 18:25 Uhrin AltersvorsorgeLesedauer: 4 Minuten

Mifid II Wird sich Anlageberatung noch lohnen?

Carsten Hahn, Partner der Unternehmensberatung Capco
Carsten Hahn, Partner der Unternehmensberatung Capco

DAS INVESTMENT: Wie wird sich das Verbot der Zuwendungen für unabhängige Berater künftig auswirken?

Carsten Hahn: Unabhängige Berater werden sich verstärkt um finanzkräftige bzw. zahlungswillige Kundengruppen bemühen und das breite Massengeschäft aufgeben. Neben dem Zuwendungsverbot kommt es durch stringentere Qualitätsanforderungen, zum Beispiel ein breiteres Anlageuniversum, auch zu steigenden Kosten. Viele Anbieter werden daher ihr Angebot in Richtung Vermögensverwaltung verstärken, um auf diesem Wege höhere Gebühren besser rechtfertigen zu können.

Erwarten Sie neue alternative Wortschöpfungen?

Hahn: Die Bezeichnung ‚unabhängig‘ wird durch Mifid II wesentlich gestärkt und könnte auf diesem Weg ein anerkanntes Qualitätssiegel werden. Im Bereich der abhängigen Beratung wird es sicher zu kreativen neuen Wortschöpfungen kommen, jedoch wird sowohl die Aufsicht sowie der Wettbewerb genau darauf achten, dass es hier nicht zu möglichen Irreführungen der Anleger oder anderen unlauteren Geschäftspraktiken kommt.



Product Governance, Geeignetheitsprüfung, Kostentransparenz, Zuwendungen & Unabhängigkeit – welcher Eingriff wird Ihrer Ansicht nach der Branche am meisten zusetzen?

Hahn: Obwohl es sicherlich einzelne Themen wie die Kostentransparenz gibt, die in der Umsetzung die größte Herausforderung darstellen, so ist es erst das ausgeklügelte Zusammenspiel aller Anforderungen, die eine nachhaltige Wirkung auf die Anlageberatung post Mifid II entfalten werden. Insbesondere bleibt abzuwarten, wie der geforderte Nachweis zur gleichwertigen Qualitätsverbesserung bei Annahme von Zuwendungen in der Praxis konkret umgesetzt wird. Bei enger Auslegung kann es hier im Zusammenspiel mit dem detaillierten Ausweis von erhaltenen Provisionen zu herben Rückgängen in der abhängigen Beratung kommen, da sie sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt oder vom Kunden in dieser Form nicht mehr akzeptiert wird.

Wie wird Mifid II die Anlageberatung nachhaltig verändern?

Hahn:Mifid II wird die bereits bestehenden aktuellen Trends in der Anlageberatung nachhaltig beschleunigen und verstärken. Wir sehen hier sechs Trends:

  1. Mehr Direktvertrieb der Anbieter (Stichwort: Robo Advisor), insbesondere für Selbstentscheider und für den von der Anlageberatung vernachlässigten Massenmarkt.
  2. Eine stärkere Konzentration von Anbietern im Vertrieb, da sich durch den Ertragsdruck die höheren Kosten und Risiken nicht kompensieren lassen und damit individuelle Berater als auch kleinere Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sich aus dem Anlagegeschäft zurückziehen.
  3. Stärkerer Verdrängungswettbewerb der Produktanbieter, da aufbrechende Vertriebsstrukturen und mehr Transparenz (siehe auch die Verordnung zu PRIIPs) den ‚Winner-takes-it-all‘-Trend weiter begünstigen.
  4. Höhere Kosten für den Anleger mit Beratungsbedarf bei gleichzeitig aber wesentlich verbesserten Kundendienstleistungen.
  5. Niedrigere Kosten für Selbstentscheider, die sich mit Hilfe von Vergleichsportalen und ähnlichen Angeboten mündig durch den Angebotsdschungel navigieren.
  6. Erschwerter Zugang zur Anlageberatung für weniger finanzkräftige Kundenschichten, wenn sie nicht eigenständig motiviert und in der Lage sind, die Angebote für Selbstentscheider zu nutzen beziehungsweise der Staat nicht verpflichtende Modelle zur privaten Altersvorsorge vorsieht.

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