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„Investoren flüchten beim kleinsten Nachrichtenwackler“

Harald Preißler, Chefvolkswirt Bantleon
Harald Preißler, Chefvolkswirt Bantleon
Die bisherige Bilanz der Finanzmärkte im laufenden Jahr kann sich durchaus sehen lassen: Fast alle Anlegeklassen und Sektoren liegen im Plus. Dies gilt vor allem für die Aktienmärkte und dort insbesondere für die US-Indizes, die kein Halten zu kennen scheinen. Zugleich blieb die Rally von Risikoanlagen für die sicheren Häfen weitgehend folgenlos.

In den nächsten Monaten dürften freundliche Konjunkturdaten zumindest risikobehaftete Anlagen weiter beflügeln. Damit naht jedoch zugleich das Ende der ultralockeren Geldpolitik – „Die Party an den Finanzmärkten geht in die letzte Runde“, meint Harald Preißler, Chefvolkswirt und Leiter Anlagemanagement des Anleihemanagers Bantleon.

Herr Preißler, wie lange hält der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten noch an?

Harald Preißler: Aus Sicht der Aktienmärkte sind die fundamentalen Rahmenbedingungen weiter-hin klar positiv – trotz der hohen Kursstände vieler Barometer. So handeln die meisten Indizes deutlich unter bewertungstechnischen Extremwerten. Beispielhaft sei auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) verwiesen, das sowohl beim Dax mit 1,5 als auch beim S&P 500 mit 2,3 nahe seiner historischen Durchschnitte rangiert. Der Euro Stoxx 50 wird gar mit einem Abschlag von 30 Prozent gegenüber seinem mittleren KBV gehandelt.

Auch die Investorenstimmung zeigt keine Anzeichen für übertriebenen Optimismus. Die State-Street-Investor-Confidence-Indikatoren etwa, die anhand realer Transaktionen die Ausrichtung institutioneller Investoren messen, notieren für die USA und Europa deutlich unter der neutralen 100-Punkte-Marke. Damit spiegeln sie eine extrem niedrige Investitionsquote der Investoren.

Die gleiche Botschaft geht von der wöchentlich verfügbaren Umfrage der American Association of Individual Investors aus. Dort sind die Bullen zwar in der Überzahl, der Saldo aus Bullen und Bären liegt indes exakt auf seinem langfristigen Mittelwert. Von einer aggressiven Ausrichtung kann also keine Rede sein. Im Gegenteil, Defensive ist Trumpf.

Viele Investoren haben die Rally offenkundig verpasst und warten auf die Gelegenheit zum Einstieg. Wir gehen vor diesem Hintergrund und in Anbetracht unserer positiven Konjunktur- und damit auch Gewinnerwartungen von weiter steigenden Aktienkursen aus und bekräftigen unsere Prognose, wonach der Dax im Sommer bis auf 8.500 Punkte steigen wird. Beim Euro Stoxx 50 sehen wir Potential bis auf 3.000 Punkte.

Wie geht es danach weiter?

Preißler: Wie sich der Trend im 2. Halbjahr 2013 beziehungsweise Anfang 2014 weiterentwickelt, hängt in entscheidendem Maß vom Konjunkturprofil ab, das sich wegen des frühen Stadiums des Aufschwungs jetzt naturgemäß nur grob umreißen lässt.

Sofern das Durchschreiten des zyklischen Hochpunktes im Herbst/Winter 2013 nicht den Auftakt für einen neuen Rückfall in die Rezession markiert, dürften die Aktienmärkte in eine volatile Seitwärtsphase übergehen, aber einen Absturz vermeiden können. Sollte die Währungsunion hingegen erneut in die Rezession abgleiten, wäre im Winterhalbjahr 2013/14 eine Korrektur in der Größenordnung von 25 bis 35 Prozent realistisch, aber das ist nur unser Risikoszenario.
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