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Ist Mikrofinanz noch nachhaltig?

Sylvia Wisniwski, Finance in Motion
Sylvia Wisniwski, Finance in Motion
DAS INVESTMENT.com: Der Mikrofinanzmarkt kann sich vor Geld kaum retten. Weltweit wächst er um 20 bis 30 Prozent pro Jahr. Die Asset-Klasse Mensch gilt als krisensicher. Besteht jetzt Selbstmordgefahr?

Sylvia Wisniwski: Der Markt ist gesund. Mikrofinanzinstitutionen haben überwiegend gut die Finanzkrise überstanden  – auch wenn es in jüngster Zeit hier und da zu Überhitzungstendenzen kam, die genau beobachtet werden müssen. Keinesfalls aber gibt es eine weltweite Mikrofinanzkrise.

DAS INVESTMENT.com: Das starke Wachstum ruft aber immer mehr Kritiker auf den Plan, die die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe in Gefahr sehen. So sollen immer mehr Konsumkredite vergeben werden, die nicht mehr richtig überprüft werden. Säumige Schuldner sollen zudem massiv unter Druck gesetzt werden.

Wisniwski: In Einzelfällen kann es zu Übertreibungen kommen, auch in dieser Branche gibt es schwarze Schafe. Doch muss man den Markt differenziert betrachten. Sehr viele Mikrofinanzinstitute arbeiten erfolgreich und verhalten sich professionell und verantwortungsvoll. Millionen von Menschen profitieren jeden Tag von Mikrofinanzdienstleistungen. Darüber hinaus wurden in vielen Ländern Kreditbüros à la Schufa eingerichtet, die die Kreditprüfung zusätzlich unterstützen.

DAS INVESTMENT.com: Es heißt, es gäbe eine hohe Dunkelziffer an Selbstmorden aufgrund von nicht zurückzahlbaren Krediten.

Wisniwski: Das stimmt so nicht. Wer aus Einzelfällen folgert, dass ein Großteil der Branche nicht angemessen arbeitet, schießt weit über das Ziel hinaus. In einem Bundesstaat in Indien ist ein Fall bekannt geworden. Das ist eine Sondersituation, die umgehend analysiert und mit entsprechenden Maßnahmen gestoppt sowie in Zukunft verhindert werden muss – daran arbeitet die indische Regierung. Bei den 150 Millionen anderen Kunden in Indien sind keine Selbstmorde bekannt.

DAS INVESTMENT.com: Wie kann man solche Verzweiflungstaten verhindern?

Wisniwski: Bereits seit drei, vier Jahren haben wir im Markt die Diskussion über ethische Standards und wie man den fairen Umgang mit Kunden gewährleisten kann.

DAS INVESTMENT.com: Klare Vorschriften gibt es noch nicht?

Wisniwski: Es gibt eine Initiative zum Konsumentenschutz in der Mikrofinanzbranche, die so genannte ‚Smart Campaign‘. Im Rahmen der ‚Smart Campaign‘ werden Mindeststandards festlegt, etwa transparente Offenlegung von Zinskonditionen, Einrichtung eines Beschwerdesystems für Kunden etc. Diese Mindeststandards wurden inzwischen von mehr als tausend Mikrofinanzinstitutionen weltweit unterschrieben.

DAS INVESTMENT.com: Und wie stellen Sie für die Endkunden sicher, dass die Mikrofinanzinstitute mit denen Sie zusammenarbeiten, ihre Kredite verantwortungsbewusst vergeben?

Wisniwski:
Wir haben schon vor sechs, sieben Jahren einen Mechanismus eingebaut, der sicherstellt, dass wir nur mit Instituten zusammenarbeiten, die ein verantwortungsvolles Geschäft betreiben. Die also darauf achten, dass ihre Kreditnehmer sich nicht überschulden.

DAS INVESTMENT.com:
Wie machen sie das konkret?

Wisniwski: Wir schauen uns beispielsweise an, wie die Institute die Kreditprüfung machen, wie die Anreizsysteme für die Mitarbeiter konzipiert sind und wie sie mit Kunden in Zahlungsschwierigkeiten umgehen. Wir gehen auch zu den Kunden vor Ort und fragen nach ihrer Zufriedenheit. Zudem haben wir ein detailliertes Monitoring-System etabliert. Wir bekommen jedes Quartal Statistiken, in denen haargenau aufgelistet ist, welche Kredite wofür von unserem Geld vergeben wurden.

DAS INVESTMENT.com: Ist es problematisch, wenn die Institute an die Börse gehen, wie beispielsweise die indische SKS?

Wisniwski: Eine Börsennotierung ist nicht per se zu kritisieren. Doch darf es dabei nicht nur um Wachstums- und Profitmaximierung gehen. Unser Fokus liegt auf der Nachhaltigkeit und Breitenwirksamkeit. Dazu halten wir die Professionalisierung der Mikrofinanzinstitutionen für ebenso erforderlich wie eine angemessene Kommerzialisierung nach klaren Regeln wie Fairness und Transparenz. Hierfür gibt es zahlreiche Positivbeispiele wie beispielsweise der Börsengang von BRI in Indonesien im Jahr 2003.

DAS INVESTMENT.com: Vor allem die großen und bekannten Mikrofinanzinstitute können sich kaum vor Geld kaum retten. Sind sie sicherer?  

Wisniwski: Das kann man so nicht generell sagen, denn es gibt auch viele kleine und mittlere Mikrofinanzinstitutionen, die gut arbeiten. Viele Asset-Manager in diesem Bereich sind jedoch nicht vor Ort tätig, sondern weit weg. Von Weitem aber sieht man nur die Großen. Darum erhalten vor allem diese das Geld und die kleinen Institute kommen nicht an den Liquiditätstopf. Wir arbeiten indes direkt vor Ort, im gesamten Sektor. Denn neben der genauen Kenntnis des Mikrofinanzgeschäftsmodells zählt die lokale Präsenz zu den Haupterfolgsfaktoren bei der Finanzierung von Mikrofinanzinstitutionen.



 








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