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John Greenwood, Chefökonom Invesco „Zinsen dürften auf niedrigerem Niveau verharren“

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Trotzdem haben die Unternehmen dank ungewöhnlich niedriger Investitionsraten erhebliche Liquiditätsreserven anhäufen können (siehe Abbildung 2), mit denen sich noch auf mehrere Jahre hinaus Aktienkäufe finanzieren lassen. Zudem wird dieses Umfeld kaum plötzlich verschwinden. Daher ist eine Fortsetzung des moderaten Wachstums mit anhaltenden Aktienkäufen die wahrscheinlichste Entwicklung.



Zweitens waren die Bilanzschäden im Bankensektor der USA, Großbritanniens und der Eurozone so umfangreich, dass die Bilanzreparaturen im Finanzsektor mehrere Jahre dauern werden. Hinzu kommt, dass die Aufsichtsbehörden von den Banken verlangen, dass sie ihre Bilanzen durch höhere Kapitalquoten und eine Rückführung der Handelsaktivitäten und sonstiger riskanter Tätigkeiten stärken.

All dies führt zu einem sehr langsamen Geld- und Kreditwachstum in den großen Volkswirtschaften, was sich wiederum in einer auf mehrere Jahre hinaus sehr niedrigen Inflation niederschlagen dürfte. Da es gewöhnlich die Inflation ist, die die Zentralbanken dazu veranlasst, die Zinsen soweit anzuheben, dass der Aufschwung gebremst wird, spricht der fehlende Inflationsdruck in der aktuellen Aufschwungphase für eine ausgedehnte Expansion mit lediglich moderaten Teuerungsraten und Zinsen.

Aus Sicht der Anleger und Aktionäre bedeutet das aktuelle Umfeld mit seinen niedrigen Wachstums- und Inflationsraten, dass die nominalen Zinsen auf einem niedrigeren Niveau verharren dürften als in einem normalen zyklischen Aufschwung. Daher dürften einige Investoren auf der Suche nach Rendite andere Finanzinstrumente in Erwägung ziehen als Einlagen bei Finanzinstituten.

In dieser Hinsicht könnten die höheren Aktienrenditen, die durch anhaltende Aktienrückkäufe befördert werden, attraktiv erscheinen. Was die zweite Frage angeht, scheinen die Aussichten für die Anwendung dieser Grundsätze außerhalb der USA mindestens genauso gut zu sein wie innerhalb der USA.

Der Grund dafür ist, dass die USA die Industrieländer derzeit aus der jüngsten Rezession herausführen und dass andere westliche Industrieländer im Hinblick auf die Fortschritte der Bilanzreparaturen und Wachstumserholung hinter den USA zurückliegen. Das bedeutet, dass die gleichen allgemeinen Bedingungen -- unterdurchschnittliche Wachstumsraten, niedrige Inflation, tiefe Zinsen und Bilanzreparaturen -- auch die entwickelten Volkswirtschaften außerhalb der USA kennzeichnen dürften.

Danach spricht viel dafür, dass Aktienrückkäufe, wie wir sie in den USA gesehen haben, schon bald auch in anderen Volkswirtschaften und Märkten zu beobachten sein werden. Die einzige Frage ist, ob der zyklische Aufschwung -- vor allem in der Eurozone -- ausreichend Fahrt aufnehmen wird, um die erforderlichen Cashflows für die Finanzierung der Rückkäufe zu generieren. Das wird sich noch zeigen.

Angesichts der Tatsache, dass die anderen Industrieländer gewöhnlich nicht nur in der Populärkultur, sondern auch bei den Geschäftspraktiken in die Fußstapfen der USA treten, kann jedoch damit gerechnet werden, dass auch nicht-amerikanische Unternehmen in den nächsten Jahren vermehrt Aktienrückkäufe tätigen werden.

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