LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 7 Minuten

Kann sich die EZB wirklich von der US-Geldpolitik abkoppeln?

Seite 2 / 2


Sollte die US-Notenbank, wie erwartet, ihr Ankaufprogramm wegen der verbesserten konjunkturellen Situation in den USA noch in diesem Jahr zurückfahren, ist grundsätzlich mit Aufwärtsdruck für den US-Dollar zu rechnen.

Dies würde – dem klassischen Muster entsprechend – den Druck auf die EZB erhöhen, ihrerseits die ultraexpansive Geldpolitik im Euroraum zurückzufahren. Allerdings lassen die Rahmenbedingungen im Euroraum unseres Erachtens dieses Mal einen größeren Spielraum für die EZB, an ihrer ultraexpansiven Geldpolitik sehr viel länger festzuhalten als die Fed.

Zwar zeichnet sich auch im Euroraum, getragen von den Exporten, allmählich eine konjunkturelle Erholung ab – insofern sind durchaus Parallelen zu früheren Konjunkturzyklen erkennbar. Die zyklische, exportgetriebene Erholung wird aber dieses Mal von strukturellen Problemen überlagert, die eine schnelle und kräftige Erholung der Wirtschaft im Euroraum erschweren.

Insbesondere wegen des nach wie vor hohen Drucks zur Haushaltskonsolidierung dürfte der Aufschwung – anders als in vorangegangenen Zyklen – eher langsam voranschreiten. Zudem werden dringend notwendige Strukturreformen zur Stärkung der heimischen Wettbewerbsfähigkeit und zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes das Wachstum auf kurze Sicht eher dämpfen.

EZB hat dieses Mal länger Zeit für Kurswechsel

Die makroökonomischen Rahmenbedingungen sprechen auf Sicht der kommenden Jahre für einen eher schwachen inflationären Druck in der Eurozone. Inflationäre Effekte, die von einer Abwertung der heimischen Währung ausgehen, können in einem solchen Umfeld eher verkraftet werden als bei einem dynamischen Konjunkturaufschwung.

Auch das Risiko der von Notenbanken gefürchteten Zweitrundeneffekte über steigende Löhne ist angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Euro-Staaten auf absehbare Zeit eher gering. Dies verschafft der Geldpolitik im Euroraum den notwendigen Spielraum für eine Fortsetzung der ultraexpansiven Geldpolitik.

>>Vergrößern


Eine Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar dürfte der EZB sogar ganz gelegen kommen. Denn durch eine Abwertung würde sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Exportunternehmen verbessern. Vor allem Staaten wie Italien, mit einem hohen Anteil von Exporten in den US-Dollarraum, würden davon profitieren.

Die Entwicklung der Wechselkurse in den letzten Jahren legt die Vermutung nahe, dass der Euro/US-Dollar-Kurs wohl auch bei einem vollständigen Einstellen der Anleihekäufe durch die US-Notenbank nicht substanziell unter 1,20 US-Dollar fallen würde.

Dies ist ein Kursniveau, das aus Sicht der EZB kaum Inflationsrisiken beinhalten würde. Etwas anderes wäre es allerdings, wenn die US-Notenbank nach dem Einstellen der Anleiheankäufe ihren Leitzins rasch anheben würde. Denn der damit verbundene Abwärtsdruck für den Euro könnte dann sehr schnell ein Ausmaß erreichen, das unter stabilitätspolitischen Gesichtspunkten nicht mehr tragbar ist.

Um ihre geldpolitische Glaubwürdigkeit zu erhalten, müsste die EZB dann ebenfalls mit einem Zurückfahren ihrer sehr expansiven Geldpolitik beginnen. Aus heutiger Sicht ist ein solches Szenario aber eher unwahrscheinlich, da die US-Notenbank aus Rücksicht auf die sehr hohe Staatsverschuldung und den sich erholenden Immobilienmarkt den Leitzins nur sehr vorsichtig anheben dürfte.

Niedrigzinspolitik hat unerwünschte Nebenwirkungen


Die Tatsache, dass für die EZB unter makroökonomischen und stabilitätspolitischen Bedingungen ein Spielraum zur Fortsetzung der ultraexpansiven Geldpolitik besteht, heißt aber noch lange nicht, dass sie diesen auch tatsächlich ausschöpfen sollte.

Denn eine lang anhaltende Niedrigzinspolitik ist mit einer Reihe substanzieller Risiken verbunden. Sie verringert den Druck auf die Euro-Staaten, mit wichtigen Strukturreformen fortzufahren. Eine geldpolitisch bedingte Abwertung des Euro würde nur die wahren Ursachen der Wettbewerbsschwäche vieler Länder der Eurozone verdecken.

Spätestens bei einer Aufwertung der heimischen Währung treten die strukturellen Probleme dann wieder zu Tage. Die Niedrigzinspolitik führt außerdem zu einer realen Entwertung von Vermögen, wenn die laufende Verzinsung von Geldanlagen unterhalb der Inflationsrate liegt.

Eine deutlich über die Inflationsrate hinausgehende Verzinsung können Sparer meist nur unter Inkaufnahme höherer Ausfallrisiken erzielen. Denn langfristig niedrige Leitzinsen führen dazu, dass nicht nur die Verzinsung geldmarktnaher Anlageformen wie Bankeinlagen oder Geldmarktfonds sinkt.

Auf der Suche nach einem Renditeplus treiben Investoren nach und nach die Kurse in anderen Anlageformen immer weiter nach oben, so dass auch dort die Ertragschancen abnehmen.

Damit steigt bei einer längeren Niedrigzinsphase auch die Gefahr von Vermögenspreisblasen – ein Risiko, das die Notenbanken durchaus sehen, angesichts der besonderen Umstände aber noch in Kauf nehmen.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen
Tipps der Redaktion