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Karriere im Finanzvertrieb: Agent Müller jagt Kollegen

Markus Müller ist jung und smart. Er weiß Menschen einzuschätzen. Seit wenigen Wochen arbeitet er für einen aufstrebenden mittelständischen Vertrieb. Nun beobachtet er Kollegen und Vorgesetzte genau, registriert Charaktereigenschaften und die Anzahl ihrer Vertragsabschlüsse, macht heimlich Notizen.

Seine Erkenntnisse meldet er – allerdings nicht an seinen Arbeitgeber. Müller ist ein Trojaner. Was nach Spionage-Roman klingt, ist die neuste Methode, um an Top-Talente im Finanzvertrieb heranzukommen. Headhunter setzen nicht mehr nur auf Anzeigen und Erstkontaktgespräche am Telefon, sie rücken den Talenten nun auch per Undercover-Einsatz auf den Pelz.

30 Trojaner umfasst die Task Force, die eine Unternehmensberatung unter Vertrag hat. „Wir lernen auf diese Weise viele Talente aus mittelständischen Unternehmen kennen. Wer geeignet scheint, dem schicken wir als Nächstes einen von uns instruierten Probekunden zur Beratung“, sagt der Experte, der seinen Namen aufgrund des umstrittenen, auf Diskretion beruhenden Ansatzes nicht veröffentlicht sehen möchte. Bis zur Einladung zum offiziellen Interview kennt der Headhunter den Vertriebsmann schon in- und auswendig.

Lukrative Abwerbeprämien

Die Branche ist ständig auf der Suche nach Beratern für Finanzvertriebe, Bankvertriebe und Versicherungen – ein lukratives Geschäft, denn die Prämien steigen ständig. Für freie Makler werden nun statt 2.000 Euro 4.000 Euro Prämie gezahlt, im Bankenvertrieb ist das Zehnfache möglich.

Allerorts sichern sich Produktgeber durch Zukauf oder Beteiligung an Vertrieben und Maklerpools den Zugriff auf Absatzpotenzial – und auf schlagkräftige Vermittler. Diese bilden oftmals den entscheidenden Engpass für weiteres Wachstum. Zwei Drittel der Personalbeauftragten von Finanzdienstleistern schätzen laut einer Studie des Beratungsunternehmens MC4MS die Bedeutung des Recruitings als sehr hoch ein; drei Viertel glauben, dass die Anwerbung von Beratern immer wichtiger wird.

58 Prozent setzen dafür unter anderem auch Headhunter ein, die im Schnitt 12 Prozent eines Jahresgehaltes des neuen Mitarbeiters erhalten. Häufig sind bestehende Mitarbeiter an der Suche nach neuen Kollegen beteiligt. „Mehr als zwei Drittel der Vermittler sind in Finanzvertrieben aktiv in die Mitarbeitergewinnung eingebunden“, sagt Sven Mittrach, You Gov Psychonomics.

Laut dem Marktforscher werden drei Viertel der Vertriebler bei der Jagd nach neuen Kollegen von ihren Führungskräften unterstützt und belohnt. „Einen neuen Vertriebsmitarbeiter zu gewinnen kostet durchschnittlich knapp 3.000 Euro. Rund 1.300 Euro Erfolgsprämie bekommt ein Berater, wenn er einen passenden neuen Kollegen wirbt“, sekundiert Klaus J. Fink, der die MC4MS-Studie mitentwickelt hat.

Beratergewinnung durch Berater ist auch für MLP ein Faktor. „Wir setzen auf Hochschulmessen, Jobbörsen und Stellenanzeigen“, sagt Ralf Kreienkamp, Leiter Personalentwicklung bei MLP, der keine Zahlen zu Bewerberzahl und zur Fluktuation nennt. Externe Personalberater würden nur in Einzelfällen eingesetzt. Ob Neueinsteiger von der Hochschule, Bankberater oder Versicherungsmakler – einen Schwerpunkt bei der Suche kann Kreienkamp nicht ausmachen, wichtig sei die Einnordung in das MLP-Vertriebskonzept: „Unabhängig von der Qualifikation durchläuft jeder neue Kollege eine zweijährige Grundausbildung, um unsere Qualitätsstandards umzusetzen.“
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