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Kommentar zum VW-Skandal „Vorfälle in der Autobranche sind schlimmer als in der Finanzwelt“

Eine Kakerlake kommt nie allein. Mindestens das haben wir aus den ganzen Skandalen um Marktmanipulationen in den letzten Jahren gelernt. Ob es nun der Londoner Interbankensatz war, Devisenkurse, Metalle, Öl oder was auch sonst: immer stellte sich heraus, dass jede Bank und jeder Broker, der an einer Benchmark mitwirkte, schmutzige Spuren von Betrug, Verschwörung und Täuschung hinterließ. Damit stellt sich angesichts der Enthüllung, dass Volkswagen über Jahre hinweg bei Tests zur Abgasmessung bei seinen Dieselmotoren betrog, die Riesenfrage: Wer hat es noch getan?

Die Parallelen zwischen dem schändlichen Verhalten der Banker und der Entscheidung von VW-Managern, 11 Millionen Autos mit Täuschungs-Software auszustatten, sind augenfällig. In beiden Branchen lässt die Aufsichtsstruktur große Bereiche offen für Manipulation. In der Finanzwelt führte die Selbstregulierung zu schamlosem und weit verbreitetem Missbrauch, bei den Autos wurden die Emissionsvorschriften für Dieselmotoren nur schwach durchgesetzt und die Testverfahren waren leicht zu manipulieren. Und in beiden Branchen führte dies zu einer Haltung „womit können wir noch durchkommen?“ statt der Einstellung „was ist das richtige Verhalten?“

Der Markt war von der ungeheuerlichen Täuschung des Volkswagen-Konzerns schockiert, ebenso wie beim Libor-Skandal, doch für Branchenkenner war der Betrug ein offenes Geheimnis. Die Verhältnisse erinnern an die sogenannte „Broken-Windows- Theorie“, der zufolge eine einzelne kaputte Fensterscheibe, die nicht repariert wird, das ganze Gebäude anfällig macht für weiteren Vandalismus. Wenn die Aufsichtsbehörden für eine Branche Fehlverhalten wissentlich ignorieren, bereiten sie einer Kultur den Weg, die Vorschriften und Regeln als Hindernisse betrachtet, die es zu umgehen gilt, und nicht als Standards, die befolgt werden müssen.

So kann man es der US-Umweltschutzbehörde EPA und ihren Kollegen weltweit nachsehen, dass sie die Täuschung von VW nicht gleich durchschaut haben – die Idee einer Software, die die Emissionen eines Motors verändert, wenn sie registriert, dass gerade ein Test durchgeführt wird, gehört eigentlich in einen Austin-Powers-Film, wenn nicht sogar in einen James-Bond- Streifen. Aber das ganze System der Tests scheint mit Fehlern behaftet zu sein, die schon vor Jahren hätten beseitigt werden sollen.

Vergangenes Jahr zahlte der koreanische Autohersteller Hyundai 100 Millionen Dollar, verzichtete auf CO2-Zertifikate im Volumen von 200 Millionen Dollar und gab 50 Millionen Dollar für vorbeugende Maßnahmen aus, um Vorwürfe beizulegen, er habe die Angaben zu Treibstoffersparnis und Emissionen gegenüber der EPA geschönt. Ein im Juni 2013 erschienener Artikel von Steve Abrams für die Website Road and Track erklärte, wie elektronische Steuerungssysteme so ausgerichtet werden können, dass sie die EPA-Tests überlisten: „Ingenieure wissen genau, wie ihre Fahrzeuge bewertet werden. Sie wissen genau, wie schnell das Auto fahren wird und wie lange und wie schnell es beschleunigen oder abbremsen wird. Wenn die Ingenieure die Steuerungslogik programmieren, können sie Parameter beobachten, die den Testzyklen entsprechen, wie Geschwindigkeit, Beschleunigung und Pedalposition, und entsprechend die Getriebeübersetzungen, Ventilstellungen und Luft-Kraftstoffgemische auswählen, die den geringsten Treibstoffverbrauch verursachen.“
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