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Lloyd’s of London: Die Glocke von der Lime Street

Die Lutine-Bell im Lloyd's-Gebäude, London. Foto: Lloyd's
Die Lutine-Bell im Lloyd's-Gebäude, London. Foto: Lloyd's
Seit 152 Jahren läutet die Glocke wieder. Der Glockenkörper, 53 Kilo schwer, einziges Überbleibsel der Fregatte HMS Lutine, die 60 Jahre zuvor im Meer versank. 240 Menschen kamen ums Leben, mit dem Schiff gingen Gold und Silbermünzen und holländische Kronjuwelen mit einem damaligen Wert von 1,2 Millionen Pfund unter. Versichert war die Ladung bei Lloyd’s of London.

Die Glocke ziert bis heute den Hauptsitz von Lloyd’s in der Lime Street im Finanzdistrikt von London. Mit Schiffen und Kaffee fängt alles an. 1688 treffen sich reiche Privatleute und Schiffseigner bei einer Tasse des Bohnengebräus
im Kaffeehaus von Edward Lloyd in London und plaudern übers Geschäft. Die Schiffseigner wollen finanziell vorsorgen für den Fall, dass Schiff und Fracht untergehen; ihre Gegenüber haben das nötige Kleingeld, um einen Teil des Risikos zu übernehmen. Das Kaffeehaus etabliert sich als Marktplatz – wer sich versichern will, kommt zu Lloyd’s.

Die Lutine Bell noch einmal in voller Pracht.

Über 300 Jahre später ist das immer noch so. Das Kaffeehaus ist mittlerweile einem modernen Gebäude gewichen. Die Raffinerie, wie die Londoner es nennen: 30.000 Quadratmeter rostfreier Stahl als Fassade, 80 Kilometer Rohrsystem, Treppen, Fahrstühle, Toiletten – alles Notwendige ist außen verstaut, damit innen Platz zum luftigen Arbeiten ist.

Geschäft wird vor allem im ersten Stock geschrieben, in „The Room“. Hier sitzen die Underwriter: Spezialisten, die im Namen von Versicherungen Risiken abwägen, ausrechnen, was die Versicherung gegen das Risiko kostet, und ihre Unterschrift unter die Verträge setzen. Lloyd’s ist dabei mehr Börse als Versicherung, ein Kaffeehaus für Profis. Sie bringt Kunden mit häufig eigenwilligen Versicherungswünschen mit Experten zusammen, die bereit sind, eine Versicherung für die eigenwilligen Wünsche anzubieten.

Kunden umgarnen den Versicherer

Einer dieser Underwriter ist David Bruce, seit 38 Jahren für den Versicherer Hiscox bei Lloyd’s tätig. Hiscox stellt drei der über 80 Syndikate, Geldgeber aus aller Welt, die es heute bei Lloyd’s gibt. „Der Ablauf ist normalerweise so: Ich sitze in meiner Box – so heißen unsere Arbeitsplätze hier –, ein Makler kommt im Auftrag seines Kunden zu mir, und wir verhandeln über das Risiko, die Deckung und den Preis“, sagt Bruce. „Meine Aufgabe ist es dabei, in den Kopf des Maklers zu schauen und so viele Informationen aus ihm herauszubekommen, wie es nur geht.“

Wie wahrscheinlich ist es, dass das versicherte Ereignis eintritt, welcher finanzielle Schaden würde dann entstehen, wurde schon etwas unternommen, um das Risiko zu senken. „Aber auch Bauchgefühl spielt eine entscheidende Rolle. Kommt mir etwas komisch vor, lass’ ich die Finger davon.“

Anders als sonst üblich, versucht also nicht die Versicherung, den Kunden zum Vertragsabschluss zu bewegen – bei Lloyd’s wird die Versicherung umgarnt. Versichern lässt sich bei Lloyd’s so gut wie alles: nach wie vor Schiffe, aber auch Flugzeuge, Ölplattformen oder Weltraumflüge mit Virgin Galactic.

Lloyd’s ist auch erste Anlaufstelle für Promis: Mariah Careys Beine sind für 750 Millionen Euro versichert, Bruce Springsteens Stimme hat einen Wert von 4,5 Millionen Euro. „Im Grunde versichern wir alles, was andere nicht können oder nicht wollen“, sagt Richard Ward, Geschäftsführer der Servicegesellschaft Lloyd’s, die die Börse in der Lime Street am Laufen hält. So konnte sich eine Comedy-Theater-Gruppe für den Fall versichern, dass ihr Publikum sich im wahrsten Sinne des Wortes totlacht.

Die Außenansicht des Lloyd's-Gebäudes, von den Londonern die "Raffinerie" genannt.

Kommt es zum Versicherungsfall, wird der Schaden in die sogenannten Loss Books eingetragen. Die letzten großen waren das Erdbeben in Chile (Schaden etwa eine Milliarde Euro) und der Untergang der Ölplattform Deepwater Horizon (etwa 450 Millionen Euro) im April 2010. In der über 300-jährigen Geschichte gab es aber weitaus spektakulärere Fälle, traditionell Angekündigt vom Läuten der Lutine Bell. Es erklang beim Untergang der Titanic 1912, beim Erdbeben in San Francisco 1989 und bei den Anschlägen auf das World Trade Center 2001.

Am Rande des Ruins

Allein nach den Terroranschlägen mussten die Lloyd’s-Versicherer rund 8 Milliarden Euro auszahlen. Zusammen mit anderen großen Schadensfällen in den späten 90ern brachte das Lloyd’s an die finanziellen Grenzen. „Wir verkauften alles bis auf das Tafelsilber und mussten unser Geschäft überdenken, Standards einführen“, so Ward.

So wurden Umweltschäden weitestgehend ausgeklammert, die Versicherung von Finanzinstitutionen zurückgefahren. „Wir fühlten uns nicht wohl mit dieser Art von Risiko, weil wir es nicht recht verstanden“, so Ward. „Und wenn du es nicht richtig verstehst, nun, dann lass es lieber.“

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