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Aktualisiert am 27.01.2020 - 15:00 Uhrin FinanzberatungLesedauer: 3 Minuten

„Loyalität schlägt Kundenbindung“

Anne M. Schüller
Anne M. Schüller

DAS INVESTMENT.com: Beraten in der Krise – haben Finanzdienstleister ihre Kundenbeziehungen derzeit im Griff? Anne M. Schüller: Nein, da gibt es noch reichlich Optimierungspotenzial. Eine Beispiel: Ein Vertriebsleiter eines Allfinanz-Anbieters sagte mir kürzlich ‚Jedes mal, wenn Bestandskunden bei uns anrufen, sind das für uns Kosten’. Das heißt: Jeder Bestandskunde stört, weil man mit ihm nur Arbeit hat, aber kein Geld verdient. Versicherungsunternehmen wollen ja gerne Finanzdienstleister heißen, vergessen nur allzu oft den Dienst dabei, denn der kostet. Wenn aber Dienstleistung versprochen wird, muss diese auch verfügbar sein, sonst ist der Kunde enttäuscht. Und das kostet letztlich nicht nur Kundentreue sondern auch Empfehlungen. DAS INVESTMENT.com: Was kann man dagegen tun? Schüller: Damit sich daran etwas ändert, müssen die Provisions- und Incentive-Programme überdacht und überarbeitet werden. Denn Menschen verstärken Verhalten, für das sie Aufmerksamkeit, Anerkennung und Belohnungen erhalten. Wenn man seine Vertriebsmannschaft ausschließlich dafür bonifiziert, dass sie Neuabschlüsse macht, dann bleibt eben die Kundenpflege auf der Strecke. Wer investiert seine Zeit schon gerne in etwas, dass ihm nichts bringt? DAS INVESTMENT.com: Wie verstärkt man gerade in Zeiten der Finanzmarktkrise die Kundenbindung? Schüller: Die gute alte Kundenbindung gehört in die Marketing-Mottenkiste des letzten Jahrhunderts. Kundenbindungsmaßnahmen gehen immer vom Unternehmen aus. Sie dokumentieren die selbstzentrierte und oft immer noch arrogante Sicht der Unternehmen auf die Kunden. Kein Kundenbindungsinstrument kann Kundentreue erzwingen. Loyalität hingegen schlägt Kundenbindung, sie ist freiwillige Treue und hat viel mit guten Gefühlen zu tun: mit Achtsamkeit, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Wertschätzung und Zuneigung. Loyalität ist emotionsbehaftet und geht vom Kunden aus. DAS INVESTMENT.com: Das hört sich prima an – aber ist gerade Loyalität heutzutage nicht ein flüchtiges Gut? Schüller: Eine Loyalitätsgarantie gibt es nicht. Man muss sie sich – genau wie seinen guten Ruf - immer wieder neu erdienen. Loyalität bekommt geschenkt, wer Kundenerwartungen deutlich übertrifft. Alles, was mit blumigen Werbeworten von buntem Prospektmaterial, über das Internet und vom Verkäufergeschwader versprochen wird, muss nicht nur eingelöst, sondern sogar überboten werden. Überrascht, verblüfft, begeistert, ja geradezu fasziniert muss der Kunde sein - das ist der beste Nährboden für dauerhafte Kundentreue. DAS INVESTMENT.com: Was haben Berater und Vertriebe davon? Schüller: Kundenloyalität steigert die Wertschöpfung, denn loyale Kunden kaufen öfter, sie kaufen mehr und sie sind meist weniger preissensibel und halten auch dann noch die Treue, wenn einmal nicht alles rund läuft. Wer die Loyalität seiner Käufer gewinnt und dauerhaft bewahren kann, generiert kontinuierlich steigende Umsätze und reduziert gleichzeitig seine Kosten. Ein durch und durch loyaler Kunde generiert zudem auch Empfehlungsgeschäft. Empfehler sind die besten Helfershelfer auf dem Weg zu verbesserten Ergebnissen und hohem Neukundengeschäft. Loyalitätsführerschaft sollte daher das Ziel in der Finanzdienstleistung sein. DAS INVESTMENT.com: Und warum klappt das in den Unternehmen oftmals nicht? Schüller: Die größten Loyalitätszerstörer heißen: Austauschbarkeit, Preis-Aktionismus, emotionale Kälte und ständig wechselnde Ansprechpartner. Gerade Letzteres ist im Finanzsektor einer der maßgeblichen Loyalitäts- und Vertrauenskiller. Denn Vertrautheit kann nicht aufgebaut werden, wenn bei jedem Vertriebsbesuch ein neuer Mensch erscheint oder wenn sich am Telefon alle zwei Monate eine neue Stimme meldet. Vertrauen schafft gewiss auch nicht, wer wichtige Kundenprozesse an mangelhafte Callcenter-Agenten outsourct, Preisspielchen spielt oder Kundenadressen unerlaubt weiter verkauft. In kundenfokussierten Unternehmen orientieren sich interne Strukturen entlang der Kundenbedürfnisse – und nicht an Abteilungsegoismen oder dem vordergründigen Aktionismus erfolgssüchtiger Jung-Manager. Viele Finanzdienstleister, insbesondere Banken haben hier aber ein nicht zu leugnendes Problem.


Zur Person:
Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Die Diplom-Betriebswirtin und Buchautorin arbeitet  als Vortragsrednerin, als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zum Kreis der „Excellent-Speakers“. Zuletzt erschienen ist Ihr Buch „Kundennähe in der Chefetage“. Es wurde mit dem Schweizer Wirtschaftsbuchpreis 2008 ausgezeichnet.

Link zum Buch „Kundennähe in der Chefetage“
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