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Mario Draghis Zinsentscheid Mutiert die EZB zum Totengräber des Euro?

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Es wäre tragisch, wenn die EZB als einstiger Retter des Bankensystems nun zum Totengräber desselben mutierte. Dies ist nicht zu erwarten. Daher scheint der Weg vorprogrammiert. Die EZB wird ihre Käufe vermutlich auch auf andere Anlageklassen ausdehnen. Statt politischer Reformen erleben wir den weiteren Aufbau von Staatsschulden durch Notenbanken – in Japan und in der Eurozone.

Die Notenbanken werden in der Folge die größten Gläubiger ihrer Staaten, was auf lange Sicht in der Theorie einen Schuldenschnitt sehr verlockend erscheinen lässt. Schuldenschnitte erscheinen realistischer als dass bestimmte Länder jemals ihre Schulden zurückzahlen werden – zumindest nicht an die eigene Notenbank.

Verlockende Schuldenschnitte

Inwieweit eine Währungsunion einen derartigen Schritt überleben wird, wird sich zeigen. Ein konsequenter politischer Wille kann sehr lange auch sehr instabile Systeme erhalten. Aber der pro-europäische Wille im Hause Europa zeigt in Zeiten der Migrationswelle deutliche Risse bis ins Fundament.

Und Deutschland? Falls das langfristige Szenario von Staatsschuldenaufbau mit anschließendem Schuldenschnitt Realität würde, verpasste der deutsche Finanzminister aktuell eine einmalige historische Chance – nämlich die Möglichkeit
der zinslosen und schlussendlich tilgungsfreien Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen.

Es ist fraglich, wie lange die EZB die fehlende Reformbereitschaft der Politik nur in Maßen kritisiert. Zu Recht darf man auch von der Politik im Angesicht zahlloser Krisen unkonventionelle Maßnahmen erwarten. In einem weiter volatil erwarteten Marktumfeld ist es ratsam, die eigenen Risikobudgets laufend zu hinterfragen, ohne jedoch die strategische Linie zu verlassen.

Angesichts der inneren Stärke der Weltwirtschaft sehen wir weiterhin in Aktien und außerhalb der manipulierten Zinsmärkte die größten Chancen und schließen in Bezug auf Europa mit Schillers Worten: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.“

Über den Autor: Thomas Böckelmann übernahm im Jahr 2015 als Geschäftsführer die Leitung Portfoliomanagement bei Euroswitch. Davor führte er bereits fünf Jahre sein eigenes Finanzdienstleistungsunternehmen und agierte mehr als 20 Jahre im internationalen Kapitalmarktgeschäft für Finanzhäuser in Frankfurt und London, darunter die Deutsche Bank und HSBC Trinkaus & Burkhardt.

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