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Mark Mobius: Das Wirtschaftswachstum in vielen Grenzmärkten ist höher als bei den Industrienationen

Mark Mobius
Mark Mobius
Das Interview wurde DAS INVESTMENT.com freundlicherweise von Franklin Templeton zur Verfügung gestellt.

Frage: Was sind Grenzmärkte?

Mark Mobius:Mit dem Begriff Grenzmärkte beschreibt man im Allgemeinen eine Untergruppe von Schwellenmärkten, die sich durch eine geringere Marktkapitalisierung und Liquidität als die weiter entwickelten Schwellenmärkte auszeichnen. Vor allem sind sie Märkte, die von der Mehrheit der Anleger noch nicht „entdeckt“ wurden. Es handelt sich um Märkte, zu denen nur in begrenztem Umfang Untersuchungen und Recherchen für Anleger vorliegen. Grenzmärkte mögen in der Regel kleiner und weniger entwickelt als Schwellenländer sein, aber sie verzeichnen ein ungebrochen starkes Wirtschaftswachstum und können eine niedrige Verschuldungsquote vorweisen. Sie stehen jetzt dort, wo viele Schwellenmärkte vor 20 Jahren standen. Nach unseren Erwartungen dürften diese Märkte – zumindest manche davon – in Zukunft eine recht wichtige Rolle spielen und sich früher oder später zu ausgewachsenen Schwellenländern entwickeln.

Frage: Warum investieren Sie in diese Länder und wie sieht der Kern Ihrer Anlagestrategie aus?


Mobius:Das Wirtschaftswachstum in vielen Grenzmärkten ist nach wie vor hoch, sogar schneller als das mancher Schwellenländer, und stellt das Wachstum in Industrienationen bei weitem in den Schatten. Hierbei handelt es sich nicht nur um Wirtschaftswachstum, sondern auch um Wachstum an Kapitalmärkten. Einige dieser Länder entwickeln sich von kleinen und illiquiden zu großen und liquiden Märkten. Viele Grenzmärkte sind auch führende Produzenten von Öl, Gas und Edelmetallen und sind gut aufgestellt, um von der hohen weltweiten Nachfrage nach diesen Ressourcen zu profitieren. Da außerdem die Volkswirtschaften von Grenzmärkten expandieren, steigen auch die Investitionen in Infrastruktur. Daraus ergeben sich wertvolle Möglichkeiten in den Industriesektoren Bau, Transport, Bankwesen und Finanzen sowie Telekommunikation. Der steigende Konsum verschafft diesen Volkswirtschaften starke Kaufkraft und die Fähigkeit, durch Ausgaben Wachstum zu erzielen. Grenzmärkte wurden und werden außerdem durch beträchtliche Investitionen von größeren Schwellenländern wie China, Indien, Russland und Brasilien unterstützt.

Die wirtschaftlichen Triebfedern in den Grenzmärkten sind unterschiedlich. Zum Beispiel führt Botswana, einer der weltgrößten Diamantenexporteure, Call-Center und Datenverarbeitungszentren ein. In Kasachstan, das reich an Öl und anderen natürlichen Ressourcen ist, werden dagegen bedeutende Investitionen in die Infrastrukturentwicklung getätigt. Diese unterschiedlichen wirtschaftlichen Schwerpunkte der einzelnen Grenzmärkte stellen ein diversifiziertes Portfolio sicher.

Frage: Und warum sollten sich Anleger für Grenzmärkte interessieren? Sind Schwellenländer nicht bereits „riskant“ genug?


Mobius:Grenzmärkte sind tatsächlich nicht riskanter als Schwellenländer oder Industrienationen. Zwar herrscht viel Unsicherheit, da Anleger allgemein nicht die erforderlichen Ressourcen haben, um diese Märkte zu studieren, und daher eher ein allgemeiner Kenntnismangel über diese Märkte besteht, aber die eigentlichen Risiken unterscheiden sich nicht wesentlich von denen anderer Märkte. Auch wenn die einzelnen Märkte volatil sein können, so könnten sie doch kombiniert in einem diversifizierten Portfolio für weniger Unbeständigkeit sorgen als dies bei einem Portfolio von Wertpapieren aus Industrienationen der Fall wäre.

Frage: Wie fließen die Katastrophe in Japan (und ein möglicherweise langsameres Wachstum in Japan sowie die Unruhen im Nahen Osten in die Analyse von Grenzmärkten ein?

Mobius:Grenzmärkte sind von den Ereignissen in Japan und im Nahen Osten nicht stärker betroffen als andere Märkte irgendwo auf der Welt. Natürlich war bei einigen der Märkte im Nahen Osten ein gewisses Maß an Volatilität festzustellen. Aber dank der großen Vielzahl an Schwellenmärkten – von Nigeria über Vietnam bis hin zur Ukraine – haben Ereignisse in Ländern wie zum Beispiel Ägypten keine allzu große Auswirkung auf die anderen Märkte. Tatsächlich investieren wir nach wie vor in Unternehmen aus dem Nahen Osten, die unserer Ansicht nach die derzeitigen Turbulenzen überstehen und in den nächsten fünf Jahren florieren werden. Allgemein gesprochen führt die „Informationsrevolution“, die Menschen aller sozialen Schichten und mit ganz unterschiedlichem Lebensstandard eine schnelle und effiziente Kommunikation über Mobiltelefon und Internet ermöglicht, dazu, dass das Überleben für korrupte und diktatorische Regime immer schwieriger wird. Dies ist der Entwicklung von Kapitalmärkten und insbesondere von Aktienmärkten durchaus zuträglich, daher stehen wir dem Nahen Osten optimistisch gegenüber. Die Wachstumsraten und das Pro-Kopf-Einkommen der Schwellenländer steigen rapide an. Die Devisenreserven dieser Länder erreichen ungeahnte Höhen und ihr Sicherheitsprofil verbessert sich kontinuierlich. Daher werden Schwellenländer auch immer positiver wahrgenommen. Anleger erkennen allmählich, dass die Risiken nicht so groß sind wie sie scheinen.

Außerdem bieten Schwellenmärkte beträchtlichen Wert, da das Gewinnwachstum weiter rasch zunimmt und wir daher nach wie vor gute Möglichkeiten finden. Wir das „Investieren“ in diesen volatilen Zeiten aufgrund von Ereignissen wie der Instabilität in der MENA-Region attraktiver? Oder einfach nur gefährlicher? Wenn man über gutes Research zu Unternehmen aus Grenzmärkten verfügt, dann kann Volatilität durchaus sehr vorteilhaft sein. Aufgrund von Panikverkäufen können die Kurse vorübergehend auf ein sehr niedriges Niveau einbrechen, und dann können geduldige und kenntnisreiche Anleger preiswert einsteigen.

Frage: Welche Herausforderungen sind mit Investitionen in Grenzmärkten verbunden und wie versuchen Sie, diese zu umgehen?

Mobius:Grenzmärkte bieten zwar eine potenziell attraktive Anlagemöglichkeit, sind aber auch mit vielen verschiedenen Herausforderungen verbunden. Dazu gehören zum Beispiel schlechter Informationsfluss, illiquide Wertpapiere und plötzliche Veränderungen der Regierungspolitik. Grenzmärkte unterliegen weiteren, erhöhten Risiken. Verantwortlich dafür ist ein Mangel an fest verankerten rechtlichen, politischen, geschäftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, die Wertpapiermärkte unterstützen. Das Vertrauen auf erfahrene internationale Fondsmanager, die über nachweisliche Kenntnisse zu diesen relativ neuen und volatilen Märkten verfügen, ist von grundlegender Bedeutung. Unserem Emerging Markets Team gehören mehr als 40 Anlageexperten an, die von Niederlassungen an 17 Standorten aus arbeiten. Unsere lokalen Analysten befolgen den Bottom-Up-Investmentansatz von Templeton und können so derartige Fragen angehen, weil sie nicht nur die Landessprache und -kultur verstehen, sondern auch die Unternehmen und das Marktumfeld kennen. Dazu treffen sie sich mit den Führungsteams der einzelnen Unternehmen, informieren sich über die Auswirkung lokaler Verordnungen und Gesetze und sprechen mit ortsansässigen Kunden und Wettbewerbern. Investitionen in Grenzmärkte erfordern oft ein Mehr an Zeitaufwand und Due-Diligence-Prüfungen zur Beurteilung der Qualität des Managementteams. Dazu gehören auch häufigere Besuche vor Ort, um das Unternehmen effektiv bewerten zu können.

Frage: Welche Länder und Sektoren in Grenzmärkten erscheinen interessant?

Mobius:Wir bevorzugen keinen bestimmten Markt, sondern wählen die Titel aus, die über alle Märkte hinweg am attraktivsten sind. Ein Blick auf die Aufschlüsselung unserer Länderinvestitionen bei Grenzmarkt-Fonds zeigt, wo wir derzeit die besten Schnäppchen finden. Derzeit engagieren wir uns am stärksten in Nigeria, Saudi-Arabien, Ägypten, Vietnam, Kasachstan, Katar, der Ukraine und Argentinien. Liquidität ist für die meisten Anleger ein Hauptanliegen, daher könnten die Märkte mit der größten Liquidität stärkere Kapitalzuflüsse anziehen. In Bezug auf Sektoren konzentrieren wir uns auf zwei Themen: Verbraucher und Rohstoffe. Eine wachsende Mittelschicht und die Verlangsamung des Bevölkerungswachstums haben zu steigenden Pro-Kopf-Einkommen und einer wachsenden Nachfrage nach Konsumgütern geführt. Dies wiederum hatte positive Aussichten für das Gewinnwachstum von Unternehmen aus dem Konsumgütersektor zur Folge. Wir interessieren uns nicht nur für Chancen in konsumgüterbezogenen Bereichen wie Autos und Einzelhandel, sondern auch für Dienstleistungen im Finanz-, Bank- und Telekom-Segment. Eine weitere Möglichkeit, aus steigender Nachfrage Kapital zu schlagen und den steileren Wachstumskurs von Ländern wie China und Indien zu nutzen, bieten unseres Erachtens Rohstoffe. Wir interessieren uns für Unternehmen mit Stärken in der Produktion von Rohstoffen wie Öl, Eisenerz, Aluminium, Kupfer, Nickel oder Platin. Die Infrastrukturentwicklung in den Schwellenmärkten hat zu  kontinuierlicher Nachfrage nach harten Rohstoffen geführt. Gleichzeitig war auch bei der Nachfrage nach weichen Rohstoffen wie Zucker, Kakao und bestimmten Getreidearten ein Zuwachs zu verzeichnen. Ressourcenreiche Länder in Lateinamerika profitieren ebenfalls von steigender weltweiter Nachfrage.

Frage: Wie können sich Anleger in Grenzmärkten engagieren?


Mobius:Privatanleger engagieren sich am besten über Grenzmarkt- Fonds in Grenzmärkten. Wir haben zwei große Grenzmarkt- Fonds. Das Gesamtvermögen in unseren Grenzmarkt-Fonds ist auf etwa 1,5 Mrd. US-Dollar angewachsen. Damit dürften wir der größte Investor in Grenzmärkten sein. Privatanleger sollten nicht versuchen, sich direkt in einem einzelnen Markt zu engagieren, da der Zugang zu vielen dieser Märkte für Einzelpersonen zu komplex und kostspielig ist.

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