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Marktausblick Europa-Aktien „Schlechte Nachrichten für Growth-Aktien - gute für Value-Aktien“

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Weshalb die Inflation nicht unwichtig ist

Eine Deflation ist zweifellos heimtückisch. Wenn Wachstum und Vertrauen gering sind, haben es Unternehmen schwer, ihre Preise zu erhöhen. Doch sobald die ersten Zeichen von Inflation zu erkennen sind, verfügen sie wieder über ihre Preissetzungsmacht. Unternehmen versuchen dann, ihre höheren Kosten an die Kunden weiterzugeben und noch etwas draufzuschlagen, um ihre Margen zu steigern.

Während jeder Konjunkturzyklus in der Aufschwungsphase demselben Muster folgt, hat sich die Ankunft des aktuellen Booms durch die quantitative Lockerung der Geldpolitik länger hinausgezögert als üblich. Natürlich weigern sich die Anhänger des selbstzufriedenen Pessimismus dies zu akzeptieren. Die beobachteten Inflationsanzeichen, so widersprechen sie, würden ausschließlich mit der Verdoppelung des Ölpreises zusammenhängen (merkwürdigerweise wollen sie aber offenbar nicht wahrhaben, dass der Ölpreisrückgang von 65 Prozent ebenfalls entsprechende Auswirkungen hatte). Sie glauben, dass die Inflation verschwinden und sich ihr Gruppendenken bestätigen wird. Doch die Erzeugerpreise ohne Energie kletterten im März um 2 Prozent nach oben, und in ganz Europa steigen die Löhne.

Im Allgemeinen haben die Menschen mehr Vertrauen und konsumieren mehr, wenn sie mehr Geld bekommen. Wir gehen davon aus, dass dies in den größeren Volkswirtschaften wie Deutschland und den Niederlanden, wo die Arbeitslosigkeit niedrig ist, auch der Fall sein wird. Die Peripherieländer hingegen erholen sich noch immer von den schweren Rezessionen. Ausschlaggebend für Veränderung ist dort das Beschäftigungswachstum– und jede noch so geringe Lohnsteigerung hätte eine zusätzlich verstärkende Wirkung, die zu begrüßen wäre. Dank dieser positiven Dynamik nimmt das BIP-Wachstum zu, wenn die Nachfrage ansteigt. Die Kreditvergabe der Banken folgt dieser Entwicklung, wie in Europas bereits zu erkennen ist.

Schlechte Nachrichten für Growth-Aktien

Eine aktuelle Studie von Barclays Capital zeigt, dass internationale Anleger, die an den europäischen Markt zurückkehren, zyklische Titel, Finanzwerte und Wertpapiere aus Südeuropa kaufen wollen. Folglich schneiden Value-Aktien besser ab als Growth-Aktien, wenn sich Europa gut entwickelt.

Der Aufstieg neuer Outperformer geht allerdings zwangsläufig zu Lasten bestimmter anderer Titel. Bei diesen Underperformern dürfte es sich unseres Erachtens um die Gewinner der letzten neun Jahre handeln. Seien es nun Quality-Growth-Aktien, Bond Proxies oder die sogenannten Expensive Defensives – ihnen allen stehen härter Zeiten bevor.

Oupterformance der Value-Aktien

Jetzt stehen die Zeichen auf Oupterformance für die Value-Segmente der europäischen Aktienmärkte. Zuletzt haben wir dies 2003 erlebt. Aktien mit niedriger Volatilität werden sich in diesem Umfeld nicht behaupten können. Ihre relativen Bewertungskennzahlen sind sehr hoch. Anleger sollten die Volatilität der Erträge des Unternehmens nicht mit der Volatilität des Aktienkurses verwechseln, vor allem nicht, wenn sie zu viel bezahlen, denn in den meisten Fällen ist dies nicht ein und dasselbe.

Anders als die Expensive Defensives, die im letzten Jahr die Gewinner waren, haben es zyklische Titel gelernt, mit wenig auszukommen und sich durch Kostensenkungen, Restrukturierungen und Effizienzsteigerungen anzupassen. Wenn die wirtschaftliche Aktivität zunimmt und die Umsätze wieder steigen, zahlt sich die verbesserte operative Kostenstruktur aus, denn von jedem zusätzlich verdienten Euro können sie einen relativ hohen Anteil als Gewinn verbuchen.

Goldman Sachs hat für die einzelnen Wirtschaftsregionen entsprechende Berechnungen durchgeführt. Jedes Prozent mehr Umsatzwachstum, das europäische Unternehmen erzielen, beschert ihnen im Durchschnitt eine Steigerung des Reingewinns von 2,8 Prozent. Natürlich sagen diese Durchschnittswerte noch längst nicht alles. So sind die Margen von Versorgungsunternehmen, Pharmakonzernen, Lebensmittelherstellern und anderen defensiven Titeln deutlich weniger reagibel. Es sind vielmehr die zyklischen Titel, die hier den Ausschlag geben, besonders im Anfangsstadium des Aufschwungs.

Was bedeutet dies für den Fonds?

Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht überraschen, dass sich unsere Long-Positionen auf Banken, Industrieunternehmen, Energietitel sowie Hersteller von Rohstoffen und zyklischen Konsumgütern konzentrieren. Wir denken, dass diese Branchen am meisten von den besseren Wachstumsaussichten profitieren können. Demgegenüber halten wir unsere Short-Positionen in Aktien von Getränkeherstellern und Versorgungsunternehmen sowie in anderen teuren Segmenten, bei denen eine Enttäuschung zu erwarten ist.

Diese Ausrichtung des Portfolios ist nicht ganz ohne Bedenken unsererseits. Schließlich prognostizieren wir einen Umbruch in der Investmentlandschaft und den Abschied von einem Paradigma, das seit der globalen Finanzkrise Bestand hat. Aber die uns vorliegenden Hinweise sprechen für sich. Und was unsere Bedenken angeht, so glauben wir, dass sich die Pessimisten mehr Sorgen machen müssen, denn es ist nicht länger angemessen, sich in teure Aktien mit niedriger Volatilität zurückzuziehen. Die Anhänger des selbstzufriedenen Pessimismus müssen sich vorsehen.

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