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Marktkommentar Droht Europa ein japanisches Szenario?

Eine stockende wirtschaftliche Erholung, niedrige Inflation und sinkende Anleiherenditen – diese Faktoren schüren die Sorgen vor einem von Deflation geprägten japanischen Szenario in der Eurozone. Doch welche Symptome machen eine „Japanisierung“ genau aus? Was hat in Japan selbst zur lang anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation geführt? Und lässt sich die Situation auf Europa übertragen? Maxime Alimi und das Team Research & Investment Strategy von AXA Investment Managers haben die Mechanismen der ökonomischen Entwicklung Japans in den frühen 1990er-Jahren untersucht und sie mit der gegenwärtigen Lage in der Eurozone verglichen. Ihr Fazit: Eine heftige „Japanisierung“ droht Europa nicht, aber es gibt auffällige Parallelen im Finanzsektor und in der Geldpolitik. Die vier Ursachen einer „Japanisierung“ Im ersten Schritt definieren die Volkswirte die vier wichtigsten Symptome einer „Japanisierung“. Neben einer leichten Deflation seien das ein Rückgang des Produktivitätswachstums, eine verhaltene Nachfrage und anhaltend niedrige Zinsen trotz einer äußerst expansiven Geldpolitik. Insbesondere die niedrige Inflationsrate in der Eurozone – die Experten rechnen im Schnitt mit 0,5 Prozent in diesem Jahr – und die sinkenden Anleiherenditen – erwartete ein Prozent bei zehnjährigen Bundesanleihen – lassen diese Gefahr in Europa hochflammen. Um die beiden Fälle genauer vergleichen zu können, analysieren sie darüber hinaus vier Ursachen einer „Japanisierung“: 1. Langsame Erholung des Finanzsektors nach einer Krise: Dass sich die japanischen Banken nach dem Platzen der Investmentblase Anfang der 90er-Jahre nur langsam erholt hätten, sei eine zentrale Ursache für die Entwicklung in Japan gewesen. „Die Banken haben Ramschkredite an insolvente Unternehmen vergeben, das unterdrückte den Wettbewerb und wirkte sich negativ auf die Produktivität, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und neue Investitionen aus“, schreibt Alimi. Erst 2003 sei es Japan gelungen, einen einheitlichen „Bad-Bank-Ansatz“ zu etablieren. Im Bankensektor sehen die Volkswirte die auffälligste Parallele zur aktuellen Situation in Europa: Auch hier seien Kredite die problembehafteten Vermögenswerte, nicht Wertpapiere wie in den USA. Finanzinstitute hätten zudem Staatsanleihen angehäuft. Bei italienischen Banken machten diese inzwischen etwa 10 Prozent der Assets aus, ähnlich sei es in Spanien oder Portugal. „Wenn die EZB die Lage nicht unter Kontrolle bekommt oder die Bankenunion scheitert und nationale Regulatoren ihre Finanzinstitute abschotten wollen, ist das ein zentraler Faktor für ein japanisches Szenario in Europa“, so Alimi. 2. Mangelhafte Geldpolitik: Als zweite Ursache für die Entwicklung in Japan führen die Volkswirte eine schlechte Geldpolitik an. Die Bank of Japan habe sich zu langsam und inkonsequent verhalten. „Damit hat sie es versäumt, die Wirtschaft anzukurbeln. Wachstumserwartungen wurden gedämpft“, so die Experten. Hier sehen sie die zweite Parallele zu Europa: Die EZB ist bereit, die Deflation in der Eurozone zu bekämpfen. „Ein japanisches Szenario bedeutet konkret, dass auch die EZB gezwungen ist, unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen einzusetzen.“ 3. Überalterte Gesellschaft: Japans Bevölkerung ist im internationalen Vergleich sehr alt. Die demografische Abhängigkeitsquote, also die Relation der Menschen im Erwerbsalter zu den Über-65-Jährigen, stieg von 10 Prozent im Jahr 1970 auf 20 Prozent im Jahr 1995 an. 2020 wird diese Quote nach Schätzungen der UN etwa 50 Prozent betragen. Ökonomisch gesehen bedeutet eine alternde Gesellschaft ein schwächeres Wirtschaftswachstum, eine sinkende Nachfrage und fehlende Fachkräfte am Arbeitsmarkt. „Zwar altert auch die europäische Gesellschaft – hier wird die demografische Abhängigkeitsquote 2015 etwa 31 Prozent betragen. Doch die Situation ist noch nicht so kritisch wie in Japan“, schreiben die Volkswirte. Ein Grund dafür sei, dass Europa traditionell eine Einwanderungsregion sei, deshalb konnte die Bevölkerung dynamischer wachsen. 4. Anfälligkeit für externe Schocks: Schließlich sei die Anfälligkeit für externe Schocks eine weitere Ursache für die „verlorenen Jahrzehnte“ zwischen 1990 und 2010 in Japan. So sei das Land nacheinander von der Asienkrise 1997, den Folgen der Dotcom-Blase 2001 und der großen Finanzkrise 2008 betroffen gewesen. „Die Gründe für die Anfälligkeit liegen in Japans Wirtschaftsmodell, das seit den 60er-Jahren traditionell einseitig auf den Export ausgerichtet war“, erläutert Alimi. In diesem Punkt sieht er keine Parallele zu Europa: „Die Eurozone ist zwar eine starke Exportregion, aber die Exporte sind breiter diversifiziert als in Japan. Das macht sie weniger anfällig für externe Schocks.“

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