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Marktkommentar „Ich empfehle, keine europäischen Staatsanleihen zu kaufen“

Dieter Hein, Rentenfondsmanager bei BLI - Banque de Luxembourg Investments
Dieter Hein, Rentenfondsmanager bei BLI - Banque de Luxembourg Investments
Anleger, die Anfang 2014 auf Anleihen gesetzt haben, werden mit Freude auf das Jahr zurückblicken: Bis zum 30. November haben alle Anleihenmärkte eine bemerkenswerte positive Entwicklung genommen.

Diese Performance war angesichts der bereits im Januar historisch niedrigen Zinsen nicht zu erwarten: Ein Käufer, der am 1. Januar die zehnjährige Bundesanleihe bei einer Rendite von 1,93 Prozent pro Jahr kaufte, konnte einen Gesamtertrag (inklusive Zinseszins) über zehn Jahren von etwa 21 Prozent erwarten.

Nach nur elf Monaten liegt der Ertrag nun schon bei 13,6 Prozent, ein Zwischenergebnis, das eigentlich erst nach etwa sechseinhalb Jahren zu erwarten war. Wäre der Investor mutig genug gewesen, um in die zehnjährige spanische Staatsanleihe zu investieren, hätte die Rendite auf Endfälligkeit Anfang des Jahres bei 4,15 Prozent gelegen, was (wiederum inklusive von Zinseszins) einen Gesamtertrag von etwa 50 Prozent über die Lebensdauer erwarten lässt. Nach elf Monaten liegt der Ertrag bei 23,9 Prozent, das heißt, auf dem Niveau, das erst nach knapp fünf Jahren zu erwarten war.

Nach einem Moment der Freude bei dem Investor (oder einem Moment der Reue bei dem Anleger, der diese Entwicklung nur von außen betrachtet hat) stellt sich nun die Frage: Wie geht es weiter?

Die Kursentwicklung auf dem Anleihenmarkt hängt direkt von der Entwicklung der Renditen ab. So basiert die beschriebene Performance der deutschen beziehungsweise spanischen Staatsanleihe vor allem auf dem Renditerückgang von 1,93 Prozent auf 0,7 Prozent beziehungsweise von 4,15 Prozent auf 1,67 Prozent über das Jahr. Wie es weitergeht, hängt also davon ab, wie sich die Renditen entwickeln werden. Und damit stellt sich die Frage, ob und - wenn ja - wie man diese Entwicklung voraussehen kann.

Ein Bewertungsmodell für langfristige Zinsen

Das für mich überzeugendste langfristige Modell für Anleihenrenditen ist das Konzept eines „natürlichen Zinses“. Es stammt aus den 1930er Jahren von Irving Fisher und wurde seitdem stetig weiterentwickelt. Stark vereinfacht besagt es, dass der „natürliche Zins“ dem nachhaltigen Nominalwachstum einer entwickelten Volkswirtschaft entspricht. Vereinfacht gesagt: der Summe aus Inflation und Realwachstum, sofern andere Parameter, wie zum Beispiel die Staatsquote, unverändert bleiben.

Natürlicher Zins
= Nominalwachstum
= Inflation + Realwachstum

Um diese Formel wird es im Folgenden immer wieder gehen. Der „natürliche Zins“ ist zunächst einmal nur eine theoretische Größe. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine mögliche Entsprechung auf den Finanzmärkten ein langfristiger Zins sein muss, der risikofrei und für alle Investoren jederzeit zugänglich ist. In einer großen entwickelten Volkswirtschaft gilt das in der Regel für die Staatsanleihen.

Zur Anschauung folgendes Beispiel: In den USA, dem weltweit einheitlichsten und ökonomisch breit diversifiziertesten entwickelten Währungsgebiet, lag die durchschnittliche Rendite der zehnjährigen US Treasuries 2004 bei etwa 4 Prozent. Von dieser Rendite sind etwa 0,25 Prozent pro Jahr als „Halteprämie“ für den Investor abzuziehen.

In den folgenden zehn Jahren lag das durchschnittliche Nominalwachstum gemäß OECD in den USA bei 3,7 Prozent, jeweils zur Hälfte inflationsbedingt und zur Hälfte auf Grund des realen Wachstums. Nach dem Fisher-Modell hatte der Anleihenmarkt 2004 das Wachstum der kommenden zehn Jahre also gut geschätzt.

Erklärt das Modell auch die Entwicklung der Renditen in der Eurozone in diesem Jahr? Nein und Ja.

Nein, weil das Modell nur langfristig funktionieren kann. Kurzfristige Verwerfungen durch psychologische Stimmungen an den Finanzmärkten oder auch temporäre Krisen werden nicht berücksichtigt. Nein, da das Modell für die Eurozone eigentlich nicht geeignet ist, da diese aus vielen ökonomisch, kulturell und sprachlich heterogenen Regionen und Ländern besteht.

Ja, denn obwohl das reale Wachstum in der Eurozone in diesem Jahr relativ stabil bei 0,8 Prozent geblieben ist, ist die Inflationsrate in der Eurozone von 0,8 Prozent im Dezember 2013 auf 0,3 Prozent im November gefallen. Der Renditerückgang basiert auch auf der fallenden Inflation und die dadurch gefallenen Inflationserwartungen.
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