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Marktkommentar Zentralbanken auf unterschiedlichen Pfaden

Von links nach rechts: Didier Rabattu, Head of Equities, Salman Ahmed, Leitender Investmentstratege und Charles St-Arnaud, Senior Investment Strategist bei Lombard Odier Investment Managers
Von links nach rechts: Didier Rabattu, Head of Equities, Salman Ahmed, Leitender Investmentstratege und Charles St-Arnaud, Senior Investment Strategist bei Lombard Odier Investment Managers

Nachdem die Notenbanken jahrelang daraufhin arbeiteten, ihr Inflationsziel zu erreichen, stehen sie nun mit ihrer Geldpolitik vor einem neuen Paradigma. Sie wird einige Zentralbanken dazu zwingen, sich zu entscheiden, ob sie weiter streng dem Inflationsziel hinterherjagen oder die Finanzstabilität sicherstellen.

In Ländern wie Kanada zeigt sich das bereits. Dort erwärmt sich die Zentralbank allmählich für den Gedanken, dass höhere Zinsen notwendig sind, um zu verhindern, dass die Risiken für die Finanzstabilität weiter zunehmen. Und das obwohl die Inflation – sowohl bei der Gesamtrate wie auch bei der Kernrate – in der unteren Hälfte ihres Zielkorridors verharrt.

Vor Kurzem hat die Zentralbank der USA – Federal Reserve (Fed) – betont, dass sie vor einer ähnlichen Herausforderung wie die Kanadische Zentralbank steht, wenn auch in einem weniger schwerwiegenden Ausmaß. Fed-Chefin Janet Yellen verkündete zum Beispiel, dass die Bewertungen von Vermögenswerten auf ein Niveau gestiegen sind, die gemessen an Standardkennzahlen “somewhat rich,” also etwas überdurchschnittlich, sind. Bei der Fed macht man sich daher Sorgen aufgrund der Bewertungen an den Finanzmärkten.

Kommentare hochrangiger Fed-Beamter deuteten vor Kurzem darauf hin, dass die Federal Reserve allmählich damit beginnt, sich wegen dieser überdurchschnittlichen Bewertungen an den Finanzmärkten, vor allem bei Aktien, Sorgen zu machen.

Risikoappetit vergrößert sich

Besorgniserregend erscheinen vor allem die hohen Bewertungen von Vermögenswerten. Sie führen bei der Fed zu großen Bedenken bezüglich der Finanzstabilität, weil Überbewertung oft mit erhöhtem Risikoappetit verbunden ist und in der Regel zu einer höheren Risikobereitschaft und höherer Kreditaufnahme führt; was wiederum die Verwundbarkeit der Finanzmärkte erhöht.

Würden die Bewertungen zurückgehen, könnte dies bei verschuldeten Investoren erhebliche Verluste auslösen, was wiederum andere Märkte anstecken und zu Instabilitäten am Finanzmarkt führen kann.

Um die Risikobereitschaft zu drosseln und gleichzeitig verschuldete Investoren nicht noch weiter zu belasten, signalisiert die Fed trotz niedriger Inflation in den USA weiterhin, dass in naher Zukunft weitere Leitzinserhöhungen erforderlich sein werden. Höhere Kosten für die Kreditaufnahme würden helfen, das Ausmaß an neuen Schulden und das resultierende Risiko im System zu reduzieren.

Reflationär statt Deflationär: EZB-Chef Draghi schürt Verunsicherung

In der Eurozone zeigte sich hingegen ein anderes Bild. Dort haben Aussagen von Mario Draghi, Vorsitzender der europäischen Zentralbank (EZB), Ende Juni an den Märkten einige Turbulenzen verursacht. Die Anleger überreagierten auf Draghis Kommentar, dass “deflationäre Kräfte durch reflationäre” ersetzt wurden. Der Markt sah die Aussage Draghis als Hinweis darauf, dass die EZB in Erwägung zieht, ihr Anleihekaufprogramm in naher Zukunft zu reduzieren.

Die Reaktionen auf Draghis Worte sorgten für einen starken Anstieg des Euros und bei den Anleiherenditen. Vergleiche mit dem “Taper Tantrum”, das die Anleihemärkte im Mai 2013 heftig auf die angekündigte Reduzierung von Anleihekäufen der US-Zentralbank reagieren ließ, sind daher durchaus angebracht.

Die von EZB-Chef Draghi angedeutete Reflation ruft aber zugleich den starken Anstieg der Renditen von Bundesanleihen auf über ein Prozent im Juni 2015 ins Gedächtnis. Der Anstieg wurde damals durch die Annahme der Anleger ausgelöst, dass die Inflation kurz davor steht anzuspringen, nur um in der folgenden Woche vor dem Hintergrund des Anleihekaufprogramms der EZB und der fortgesetzten Inflationsschwäche wieder in den negativen Bereich abzutauchen.