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Aktualisiert am 27.01.2020 - 17:23 Uhrin FinanzberatungLesedauer: 4 Minuten

Markus Zschaber: „Es ist alles aufgeweicht“

Markus Zschaber, V.M.Z.
Markus Zschaber, V.M.Z.

DAS INVESTMENT: Herr Zschaber, sind die „Stresstest“-Ergebnisse geschönt? Markus Zschaber: Sie sind auf jeden Fall mit Vorsicht zu genießen. Schließlich darf man den Interessenskonflikt seitens der US-Regierung nicht aus den Augen lassen. Würde der Stresstest zu negativ ausfallen, würde man sich sprichwörtlich ins eigene Fleisch schneiden. Die Bewertungsparameter des „Tests“ sind also alles andere als streng. DAS INVESTMENT: Wohlfühl- statt Stresstest? Zschaber: Es ist zumindest alles aufgeweicht. Beispielsweise akzeptierte der Prüfungsausschuss ein Schulden-Kapital-Verhältnis von 25 zu 1, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Als die US-Börsenaufsicht SEC 2004 einen Branchentest durchführte, erlaubte man lediglich ein Verhältnis von 12 zu 1. Ich habe große Zweifel, dass der Stress-Test als Maßstab für die Banken wirklich ein "Worst-Case-Szenario" zugrunde gelegt hat. DAS INVESTMENT: Wie konnte es dazu kommen, dass Banken, die erst kürzlich Milliardenverluste verzeichnet hatten, nun schwarze Zahlen schreiben? Zschaber: Das ist natürlich alles etwas hübsch gerechnet und hat mit Rechnungslegungsstandards zu tun. Die neuen Vorschriften lassen deutlich mehr Spielraum bei der Bewertung von Wertpapieren zu. Unternehmen müssen nur noch Wertverluste abschreiben, wenn diese nach ihrer eigenen Einschätzung mittel- bis langfristiger Natur sind. Dies betrifft vor allem die Bilanzierung der sogenannten „Ramschpapiere“. Vor diesem Hintergrund sind die sehr überraschenden Bilanzgewinne der US – Banken eigentlich gar nicht mehr so überraschend. Im Gegenteil, jede Controllingabteilung hat jetzt die Möglichkeit bekommen frei zu entscheiden, ob das Quartalsergebnis sehr gut, gut oder nur mittelprächtig aussehen soll. DAS INVESTMENT: Was würden Sie Anlegern in Bezug auf Finanztitel raten? Zschaber: Untergewichten. DAS INVESTMENT: Warum? Zschaber: Weil sie zu spekulativ sind. Ich bin davon überzeugt, dass die Geschäftmodelle der Banken immer noch nicht angemessen an die neuen Marktgegebenheiten angepasst wurden. Viele Vorstände kündigen zwar auf den Bilanzpressekonferenzen einen Übergang zum klassischen Bankengeschäft an. Die wirkliche Umsetzung wird meiner Meinung nach aber mindestens ein bis zwei Jahre dauern. Ein weiteres Problem sind die milliardenschweren Ramschpapiere, die in den Banken lagern. Diese müssen zwar dank den neuen Bilanzrichtlinien nicht mehr zu aktuellen Marktpreisen abgeschrieben werden. Das Vertrauen in die Banken schwächen sie dennoch. Erst wenn diese Papiere vollständig aus den Bilanzen entfernt werden, wird auch das Vertrauen der Banken untereinander wieder wachsen. DAS INVESTMENT: Und welche Märkte und Anlagenklassen haben derzeit das größte Wachstumspotenzial? Zschaber: Geldmarkt, Renten, Immobilien sowie Unternehmensanleihen von Blue-Chips und Cash. Die Aktienmärkte erachten wir im aktuell weiterhin als eher unattraktiv. Eine Ausnahme bilden lediglich belgische, französische und deutsche Standardwerte, US–amerikanische Versorgerwerte sowie ausgewählte lateinamerikanische Aktienmärkte wie Argentinien und Brasilien. DAS INVESTMENT: Und was halten Sie von Gold und Rohstoffen? Zschaber: Den Rohstoffmarkt bewerten wir weiterhin als nur partiell interessant, da wir angesichts der weltweiten realwirtschaftlichen Konsolidierungen immer noch mit einer Nachfragereduktion rechnen. Edelmetalle werden unseres Erachtens weiterhin sehr stark irrational gesteuert und sind mit Blick auf die Liquiditätströme stark abhängig von den Devisenkursen. DAS INVESTMENT: Raten sie angesichts des schwierigen Umfeld zu passive Indexfonds oder aktiven Fonds wegen einer ambitionierten Zeit für Stockpicker? Zschaber: Derzeit finden wir passive Investments mittels ETFs interessanter. Privatanleger sollten nur dann in einen aktiven Fonds investieren, wenn er von der jeweiligen Entwicklung der Märkte, in die der Fonds investiert, überzeugt ist und den Stil und die Expertise des Fondsmanagement genau einzuschätzen vermag. DAS INVESTMENT: Sie haben auch einige prominente Kunden: Formel-1-Fahrer, Popstars oder Sportler. Unterscheidet sich die Wahrnehmung der Krise bei Prominenten im Vergleich zum Jedermann? Zschaber: Ich glaube, die Wahrnehmung eines Prominenten ist durchaus mit der anderer Investoren zu vergleichen. Schließlich bedienen sich Prominente genauso des Informationsgehalts der Medien wie auch die Privatanleger. DAS INVESTMENT: Wie werden die internationalen Märkte aus dem Jahr gehen, wo steht der Dax Ende 2009? Zschaber: Mit Blick auf die kommenden Monate überwiegt die Unsicherheit der Anleger. Vor diesem Hintergrund gewinnen Staatsanleihen mit kurzfristiger Kapitalbindungsdauer an Attraktivität. Ab dem dritten Quartal sehe ich jedoch durchaus Chancen an den Aktienmärkten. Was den Dax betrifft, halte ich das Erreichen der 5.000-Punkte-Marke am Ende des Jahres für nicht unrealistisch. Hinweis: Neue Themenkanäle auf www.dasinvestment.com
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