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Martin Hüfner: "Ich wundere mich über den Konjunkturoptimismus in Deutschland"

Martin Hüfner
Martin Hüfner
Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten immer wieder über den Konjunkturoptimismus in Deutschland gewundert. Wohin man schaut: Überall wird gesagt, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr (das fängt in zwei Monaten an!) Fahrt aufnimmt und wieder mit ordentlichen Wachstumsraten expandiert. 2014 soll es dann mit dem Aufschwung im ganzen
Jahr weitergehen.

Wenn es im Augenblick mit der Konjunktur etwas hapern sollte – im März und im April ist der ifo-Geschäftsklima-Index zurückgegangen – dann liege das, so heißt es, nur an kurzfristigen Belastungsfaktoren. Das sei aber schnell vergessen.

Nicht zu optimistisch sein

Ich bin skeptischer. Natürlich geht es Deutschland nicht schlecht. Die Situation ist besser als in anderen Ländern Europas. Beim Arbeitsmarkt steht die Bundesrepublik sogar günstiger da als die USA. Es wird in diesem Jahr keine Rezession geben. Aber es gibt eben auch keinen Aufschwung, wie uns die Konjunkturoptimisten weismachen wollen. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird in die-sem Jahr kaum wachsen (vielleicht 0,1 oder 0,2 Prozent) und auch im nächsten Jahr werden die Zuwächse mager bleiben.

Ich fühle mich in dieser Einschätzung von der Europäischen Zentralbank (EZB) bestätigt. Sie hat in der vorigen Woche ein unerwartet umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. Sie senkte nicht nur die Zinsen.

Sie versprach darüber hinaus, die Liquiditätszuteilung bis Mitte nächsten Jahres nicht zu kürzen. Ferner stellte sie Sonderhilfen für Klein- und Mittelbetriebe vor allem in Peripherieländern in Aussicht. Präsident Draghi machte klar, dass die EZB weitere Maßnahmen ergreifen werde, wenn es erforderlich sei.

So ein Programm bringt man nicht auf den Weg, wenn man der Meinung ist, dass die Konjunktur schon in den nächsten Monaten wieder besser wird. Warum tut sich die deutsche Wirtschaft mit dem Wachstum so schwer? Es sind nicht kurzfristig wirkende Stolpersteine wie das immer wieder zitierte harte Winterwetter. Das geht vorüber.

Investitionen bleiben aus

Es sind vielmehr die Hypotheken der Finanz- und Währungskrise der letzten fünf Jahre, die sich hier zeigen. Die Wirtschaft baut Risikopositionen ab. Sie zögert, neue Risiken einzugehen. Sie macht sich krisenfester. Das ist nichts Schlechtes. Aber es kostet natürlich Wachstum.

Konkret: Die Unternehmen führen ihre Verschuldung zurück (siehe Grafik). Sie senken die Kosten. Statt stärker in neue Gebiete zu investieren häufen sie Geld-Reserven an. Ihre Ausgaben für Maschinen und Ausrüstungen sind heute real nicht größer als vor drei Jahren.

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Ganz ähnlich die Verbraucher. An sich könnten sie bei den niedrigen Zinsen mehr Kredite aufnehmen und mehr verbrauchen. Sie bleiben aber vorsichtig. Der private Verbrauch war freilich noch nie der große Wachstumsmotor in Deutschland.

Die Banken tragen nicht dazu bei, die Kunden zu mehr Expansion zu ermutigen. Sie sind selbst vorsichtiger. Sie müssen erst einmal das Kapital aufstocken. Amerikanische Häuser waren dabei schneller und haben das schon hinter sich. Die Deutsche Bank sagt erst jetzt (nach der jüngsten Kapitalerhöhung), dass sie nun wie¬der Gas geben wolle.

Auch der Staat ist im Risk-Off-Modus. Die öffentlichen Defizite wurden zwar zurückgeführt (was wichtig war). Der Reformelan ist aber verloren gegangen. In Sachen Regulierungsdichte auf den Arbeits- und Produktmärkten befindet sich Deutschland nach einer Übersicht von Morgan Stanley auf gleicher Ebene wie Italien und Spanien, aber schlechter als Österreich, die Niederlande oder Schweden.

Die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur sind heute niedriger als vor zehn Jahren. Die Erfahrungen mit der Energiewende tragen nicht zur Investitionssicherheit bei. Von der Weltwirtschaft gehen weniger Impulse aus. Das liegt teilweise am geringeren Wachstum in großen Abnehmerländern. China expandiert nicht mehr mit zweistelligen Raten.

In diesem Jahr wird das reale Bruttoinlandsprodukt vermutlich nur noch um 7 Prozent bis 7,5 Prozent zunehmen. Das wirkt sich auf andere Schwellenländer aus. Einzig in den USA sieht es so aus, als habe das Land die Krise hinter sich gelassen und beim Wachstum einen Gang hochgeschaltet.

Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen auch bei der internationalen Expan¬sion vorsichtiger geworden sind. Die Globalisierung nimmt nicht mehr zu, sondern ab. Das betrifft freilich weniger den Absatz als die Produktion. Last but not least wirken sich die Konsolidierungsmaßnahmen in Euroland negativ auf das deutsche Wachstum aus.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die strukturellen Probleme belasten nicht auf ewig. Sie werden eines Tages überwunden. Die USA zeigen, dass das geht. Aber es dauert länger als viele denken. Ich schließe nicht aus, dass wir auch 2014 noch mit dieser Hypothek leben müssen.

Für den Anleger

Die Auswirkungen geringeren Wachstums sind am wenigsten in Deutschland selbst zu spüren. Der Arbeitsmarkt wird sich weiter gut entwickeln. Die Preise steigen langsamer. Die Zinsen bleiben noch länger so niedrig. Die Aktienkurse haussieren unverändert (allerdings werden die Kursschwankungen zunehmen, wenn die Zunahme der Unternehmensgewinne hinter der Liquiditätsausweitung zurückbleibt).

Schwieriger ist es für die Partner Deutschlands in Euroland. Sie können weniger exportieren. Das fällt für sie noch stärker ins Gewicht, als das Beharren der Deutschen auf einem konsequenten Sparkurs. Je schlechter die deutsche Konjunktur, umso länger dauert die Eurokrise.

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