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Martin Hüfner: Lehren aus der Italienkrise

Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Martin Hüfner von der Fondsgesellschaft Assénagon
Was wenige erwartet hatten: Der Ausgang der italienischen Wahlen wurde nicht zum Gau (größter anzunehmender Unfall) der Eurokrise. Es gab zwar ein paar Blessuren. Die italienischen Zinsen sind um 50 Basispunkte gestiegen. Die Aktienkurse an der Mailänder Börse sind um 10 Prozent gefallen. Der Euro hat sich gegen den Dollar um 5 Prozent abgeschwächt. Insgesamt aber hielten sich die Rückschläge in Grenzen.

Die internationalen Finanzmärkte gingen schnell wieder zur Tagesordnung über. Die Aktien haussierten rund um den Globus. Die Notenbanken diskutieren über weitere Lockerungen, um die Konjunktur anzukurbeln.

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Was ist der Grund, dass sich der Ausgang der italienischen Wahlen nicht stärker auf die Finanzmärkte ausgewirkt hat?

Das Wichtigste war sicher, dass Politiker in Rom wieder einmal Geschick und Ideenreichtum bei der Lösung schwieriger Konstellationen zeigten. Der Chef der Partito Democratico, Pier Luigi Bersani, lamentierte nicht lange. Er machte sich daran, einen pragmatischen Ausweg zu finden, vielleicht durch die Bildung einer Übergangsregierung zur Durchsetzung einer Wahlrechtsreform.

Offenbar ist auch Beppe Grillo, der Begründer der Movimento 5 Stelle, nicht nur der Clown, den viele in ihm sehen wollen. Er scheint zu Kompromissen bereit.

In jedem Fall sieht es so aus, als ob die Politiker den für Euroland schlimmsten Fall verhindern werden, nämlich eine Rückkehr des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und eine Rückgängigmachung der Monti'schen Reformen.  

Hinzu kommt, dass sich Italien inzwischen in einer weit besseren Situation befindet als vor einem oder zwei Jahren. Das wird oft übersehen. Das öffentliche Defizit ist deutlich verringert worden. Es dürfte in diesem Jahr unter der Maastricht-Grenze von 3 Prozent liegen.

Die Verschuldung des Privatsektors beträgt 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und gehört damit zu den niedrigsten des Euroraums (Deutschland 130 Prozent). Der Fehlbetrag der Leistungsbilanz beläuft sich auf nur noch 1,5 Prozent des BIP. Die Reformen am Arbeitsmarkt und an den Produktmärkten sind auf den Weg gebracht.

Schließlich war positiv, dass bei den Partnern Italiens nicht die Panik ausgebrochen ist. Sie hielten sich mit verbalen Interventionen zurück. Sie konnten die Situation allerdings nicht durch Interventionen auf den Kapitalmärkten entspannen helfen.

Sowohl für das OMT der Europäischen Zentralbank (Outright Monetary Transactions, Aufkaufprogramm der EZB) als auch für Interventionen des ESM ist ein Engagement des Schuldnerlandes zu Reformmaßnahmen erforderlich. Das konnte es nach den Wahlen aber nicht geben, da keine handlungsfähige Regierung da war, die das unterschreiben konnte.  

Dass Euroland bei den italienischen Wahlen bisher mit einem blauen Auge davongekommen ist, ist jedoch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Die Situation auf dem Apennin ist immer noch instabil.  Politisch gibt es noch keine handlungsfähige Regierung.

Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Austeritätspolitik. Eine neue Regierung kann das nicht verneinen. Die Mehrheitsverhältnisse sind so unsicher, dass man mit Neuwahlen vor Ablauf der Legislaturperiode rechnen muss. Erschwerend kommt hinzu, dass in Kürze ein neuer Staatspräsident bestimmt werden muss.

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