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Aktualisiert am 23.12.2010 - 16:11 Uhrin MärkteLesedauer: 6 Minuten

Max Otte: „Die Politik zielt auf eine Inflationierung ab“

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Otte: Ja, und dabei muss man sogar sehen, dass es den USA und Großbritannien wirtschaftlich schlechter geht als dem Durchschnitt der Eurozone. Man darf dabei nicht nur die Wachstumsraten im Blick haben, sondern das Gesamtbild. Beispielsweise ist der US-Immobilienmarkt immer noch dysfunktional. Nur wird darüber viel weniger geschrieben als über die Probleme der Eurozone.

Frage: Für wie schlimm halten sie die Euro-Krise und die Verschuldungsproblematik der südlichen Euro-Länder?

Otte: Mit diesem Problem werden wir uns noch die nächsten drei, vier oder fünf Jahre herumschlagen müssen. Die Europäer haben den Fehler gemacht, Länder in die Eurozone aufzunehmen, die zwar für eine handelspolitische, nicht aber für eine monetäre Union reif waren. Es wäre besser gewesen, diese Staaten hätten die Eurozone verlassen und ihre nationalen Währungen wieder eingeführt, die dann natürlich stark abgewertet hätten. Möglicherweise wäre es zu Umschuldungen gekommen, bei denen die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen hätten verzichten müssen. Das wäre eine autonomere und demokratischere Lösung gewesen als das, was wir jetzt haben. So wie es jetzt gelaufen ist, bezahlt wieder der Steuerzahler. Derzeit kommt es innerhalb der Eurozone zu einer Art erzwungener Konvergenz. Die nördlichen Euroländer müsse sich mehr verschulden, die südlichen müssen mehr sparen. Infolge des von der EU und dem IWF verordneten Austeritätsprogramms für Griechenland baut sich dort natürlich ein enormer Groll gegen Europa auf. Das hätte bei einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone vermieden werden können. Eine solche Lösung hätte Europa nicht geschwächt, sondern gestärkt.

Frage: Die Finanzbranche wird jedenfalls bei der Rettung des Euro nicht belastet. Welche Maßnahmen müssten ihrer Meinung nach ergriffen werden, um eine Neuauflage der Finanzkrise zu verhindern?

Otte: Die Finanzinstitutionen müssten einen Mindestanteil von echtem Eigenkapital vorhalten. Sonst spekuliert man auf Kosten der Allgemeinheit. Außerdem bin ich in der Tat für eine Kapitaltransaktionssteuer von 0,05 Prozent des jeweiligen Börsenwerts. Das würde vor allem die Marktteilnehmer treffen, die ihr Kapital oft umschichten. Privatanleger oder Vermögensverwalter, die ihre Wertpapiere für längere Zeit halten, würde dies hingegen kaum tangieren. Und schließlich bin ich auch für ein Verbot des Eigenhandels für gewöhnliche Geschäftsbanken. Eigenhandel sollte bestimmten Special-Purpose-Gesellschaften, beispielsweise Hedgefonds, vorbehalten bleiben.

Frage: All Ihre Vorschläge laufen darauf hinaus, die Spekulation zu dämpfen. Nun sind aber Spekulanten notwendig, weil sie Liquidität bereitstellen und dem Markt Tiefe verleihen ...

Otte: ... oder auch zu Übertreibungen auffordern. Ich halte das derzeitige Finanzsystem für hypertroph. Die Spekulation gehört zur Natur des Menschen, sie wird uns immer begleiten. Aber die derzeitigen Rahmenbedingungen laufen darauf hinaus, die Spekulation ungebührlich zu erleichtern. Die Spekulation sollte ein schwereres Geschäft sein als ein Engagement im realwirtschaftlichen Sektor. Im Moment ist aber das Gegenteil der Fall.

Frage: Glauben Sie, dass ihre Vorschläge eine große Chance haben, verwirklicht zu werden?

Otte: Da bin ich, offen gestanden, pessimistisch. Aber äußern sollte man sie trotzdem.


Zur Person: Max Otte ist Professor für allgemeine und internationale Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms und Leiter des 1999 von ihm gegründeten Instituts für Vermögensentwicklung GmbH (IFVE) in Köln sowie unabhängiger Hedgefondsmanager. Nach seiner Promotion an der Princeton University, USA, war Otte von September 1998 bis September 2000 Assistant Professor (Tenure Track) für internationale Wirtschaft und internationales Management am Department of International Relations der Boston University in Boston, Massachussetts.

Zu seinen Arbeitsgebieten zählen Unternehmensanalyse und Corporate Finance, Internationales Management, Value Investing und weltwirtschaftliche Fragestellungen. Otte ist ein gefragter Berater und Referent. Er war für über 100 Unternehmen und Organisationen tätig, darunter Hoechst, debis, die Münchner Rückversicherung, die Deutsche Bank, American Reinsurance, BorgWarner Automotive (3K Turbosystems), die Bertelsmann-Stiftung, die Vereinten Nationen, die Weltbank sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

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