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Suche nach dem Mehrwert Das Ende der Anlageberatung?

Guido Kirner, Finanzplaner und Versicherungsmakler
Guido Kirner, Finanzplaner und Versicherungsmakler
Anlageberatung und Vermögensverwaltung werden zunehmend sinnlos, sollte sich herausstellen, dass die hierbei zugrundegelegten Methoden mehr Schein als Sein darstellen und man zudem mit wenigen einfachen Mitteln, dafür aber sehr viel kostengünstiger, gleich gute (oder schlechte) Ergebnisse erzielen kann.

Bestimmte Analysetechniken und die sogenannte Portfoliotheorie sind nicht in der Lage, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Wenn Vermögensverwaltung mehr sein soll als Selbstentmündigung des Kunden, muss sie beweisen, dass sie einen Mehrwert nach Kosten im Vergleich zu preiswerteren Alternativen bieten kann. Dies dürfte immer schwieriger werden.

Worin besteht der Wert einer Anlageberatung? In der technischen Analyse der Märkte mit Anwendung der sogenannten Charttechnik? Im Auffinden von lukrativen Unternehmen, die unterbewertet sind beziehungsweise hohes Wachstumspotential versprechen? In der Fundamentalanalyse mit einem Value- oder Growth-Ansatz?

Besteht es in der großartigen Mischung dieser Unternehmen in einer Art Fonds? Oder geht es um die Anwendung irgendeiner Portfoliotheorie zur richtigen Aufteilung des Vermögens über diverse Anlageklassen?

Die technische Analyse

Die Charttechnik erklärt eventuell sehr gut vergangene Entwicklungen. Ob jemand damit aber die Zukunft voraussagen kann, ist reine Glückssache. Früher nannte man das Fortuna oder Schicksal. Die Analyse bestimmter Kursmuster hat im Mikrosekundenbereich des Derivate- und Devisenhandels vielleicht eine Berechtigung, mit Anlageberatung hat das aber nichts zu tun. Hier hat die Extrapolation der Zukunft aus der Vergangenheit die epistemologische Bedeutung von Kaffeesatzleserei oder Vogelschau, nur mit den Mitteln der modernen Computergrafik.

Die Fundamentalanalyse

Überzeugender ist da vielleicht die klassische Fundamentalanalyse. Sie sucht nach gewinnträchtigen Unternehmen, indem sie deren Bilanzen nach bestimmten Kennzahlen analysiert. Was aber nutz die beste Kenntnis eines Unternehmen, wenn die Märkte und ihre Kurse überwiegend politisch sind? Trotz enttäuschender Daten steigen heute die Aktienkurse, nachdem zum Beispiel eine Ausweitung der Inflation eingepreist wird; oder sie fallen trotz guter Daten, weil eine Abkehr von der Inflationierung erwartet wird.

Die reine Unternehmensanalyse ist für die Kauf- beziehungsweise Verkaufsentscheidung in dem Maße unbrauchbar geworden, wie die Volatilität der Kurse von politischen Maßnahmen erzeugt wird. Banken geraten in die Schuldknechtschaft der Notenbanken, Unternehmungen werden ob des billigen Geldes zu Investitionen verleitet, die in sich zusammenbrechen, wenn die Zinsen mal wieder steigen sollten.

Ebenso zerbröseln die subventionierten Branchen, wenn sie gezwungen würden, auf eigenen Beinen zu stehen. Die gegenwärtigen Kennzahlen eines Unternehmens sagen nur sehr bedingt etwas über seine Gewinne in der Zukunft aus.

Die Portfoliotheorie

Kommen wir auf die Portfoliotheorie zu sprechen. Sie wurde ja von Nobelpreisträgern entwickelt. Bezeichnend war die Vergabe dieser höchsten Auszeichnung für das Jahr 2013. Eugene Fama, Lars Peter Hansen und Robert Shiller erhielten ihn zusammen für ihre empirische Analyse der Kapitalmarktpreise, obgleich sich ihre Theorien in wesentlichen Bereichen widersprechen. Was sagt uns das über den Erkenntniswert ihrer Forschung?

Der Gründervater der Portfoliotheorie – Harry Markovitz – erhielt ebenfalls einen Nobelpreis. Er hat sehr zur Mathematisierung dieses Fachgebietes beigetragen. Wahrscheinlichkeitsrechnung, Sensitivitätsanalysen, Standardabweichungen und Glockenkurven gehören seitdem zum Expertenrepertoire.

Deren Aussagekraft beschränkt sich aber allenfalls auf ruhigen Zeiten und besagt nichts über die Extreme der krisengeschüttelten Kapitalmärkte. Wie andere Bereiche der Wirtschaftswissenschaften bezieht auch die Portfoliotheorie ihre Reputation eher aus der mathematischen Formulierung, denn aus ihrer empirischen Validität.

Selbst jener Hedgefonds ist grandios gescheitert, der wohl mit der meisten Intelligenz seiner Zeit ausgestattet war: der Long-Term-Capital-Management (LTCM) hatte unter anderem die Nobelpreisträger Robert Merton und Myron Samuel Scholes als Direktoren. Er hat schon 1998 die Finanzwelt beinahe in den Abgrund gerissen.

Dies hätte eine Warnung für Kommendes sein können. Die Hybris kommt vor dem Fall. Im Vergleich zur Chemie ist die Finanzökonomie auf dem Stand der Alchemie. und wenig ist kurzlebiger als der Finanguru oder das Finanzgenie.

Spekulation ist keine Wissenschaft


Um nicht missverstanden zu werden: gewiefte Händler sind keine Scharlatane, Spekulation ist nichts Schlechtes und riskante Profite einzustreichen ist durchaus möglich.

Erfolgreiche Spekulanten nutzen Preisunterschiede, gleichen Wissenslücken über Märkte aus und tragen so zum Wettbewerb und Ausgleich von Preisen und Wissen bei. Doch all das hat mehr mit Instinkt, einem guten Gespür für Preise und Glückspiel zu tun, als dass man Anleger mit wissenschaftlichen Methoden zur großen Geldvermehrung anleiten könnte.

Wenn es also keine Wissenschaft ist, die uns bei der Geldanlage helfen kann, was ist es dann, was den Wert einer guten Anlageberatung ausmacht? Sicherlich ist es die Streuung über die verschiedenen Anlageklassen (Anleihen, Aktien, Edelmetalle, Rohstoffe, Immobilien) je nach Lebenssituation und Zielen des Anlegers mit den richtigen Produkten.

Nicht „alle Eier in einen Korb zu legen“ hat dann aber mehr mit gesundem Menschenverstand als mit einer teuer bezahlten pseudowissenschaftlichen Anlagestrategie zu tun. Und was die Produkte angeht, so ist sicherlich auf die Kostenstruktur und die Interessenskonflikte bei der Vermittlung zu achten.

Die Kosten der Dientleistung

Bei den Kosten befindet sich die aktuelle Anlageberatung in einer Art Dilemma. Die Bürokratisierung des Verbraucherschutzes erschwert eine kostengünstige professionelle Beratung. Der Aufwand ist für die Dienstleisterseite enorm gestiegen. Die Investition in Ausbildung, der enorm angewachsene Zeit- und Verwaltungsaufwand für Dokumentation und Protokollierung, die haftungsrechtlichen Risiken und die Einhaltung sämtlicher aufsichtsrechtlicher Pflichten, all das erzeugt Kosten, die bei der Anlageberatung wieder hereingeholt werden müssen.

Auf der anderen Seite hat die Finanzbranche selbst kostengünstige Strukturen und Produkte geschaffen, welche die Geldanlage und Vermögensverwaltung zum Kinderspiel werden lassen. Wenn dem so ist, was rechtfertigt dann noch eine teure Vermögensverwaltung, ein Family Office, ein Wealth Management?

Zumindest haben inzwischen ausreichend viele Studien gezeigt, das aktives Management selten in der Lage ist, den Markt zu schlagen; und wenn dem mal so ist, dann ist der Erfolg nicht nachhaltig. Wozu dann aber Ausgabeaufschlag, Management- und Performancefee und womöglich noch eine Verwaltungsgebühr für den Vermögensverwalter, wenn all dem letztlich keine entsprechende Leistung gegenübersteht?

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