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Etikettenschwindel? Nachhaltigkeitsstempel fördert den Verkauf

Marc Pietzonka von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg
Marc Pietzonka von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg
Würden Sie beim Stichwort "Nachhaltiges Investment", also Geldanlage nach ökologischen, ethischen und sozialen Kriterien, sofort an Aktien von Ölkonzernen oder Banken denken? Wahrscheinlich eher nicht. Dennoch zählen zum Beispiel die Aktien von Total und Banco Santander zu den größten Positionen im Nachhaltigkeitsindex „Dow Jones Sustainability Europe Index ex Alcohol, Gambling“. Etikettenschwindel?

Nachhaltiges Investieren ist kein neues Prinzip. Bereits im 18. Jahrhundert gab es religiöse Gemeinschaften, die Abstand nahmen von Beteiligungen an bestimmten Unternehmen, zum Beispiel Waffenhändlern. Aber erst die Gründung erster „Ökobanken” und „Ökofonds” in den 1980er und 1990er Jahren machte das Thema populär.

Produktpalette wächst


Die Diskussionen um die Globalisierung und den Klimawandel lassen das Konzept des verantwortungsbewussten Investierens aktueller denn je erscheinen. Die Finanzbranche hat längst reagiert, bietet ein breites Spektrum nachhaltiger Anlageinstrumente, von der Aktie, über Anleihen und Fonds bis zu Einlagen bei „Ökobanken". Welch hohe Bedeutung dem Thema zugemessen wird, zeigt sich in der wachsenden Zahl von Nachhaltigkeits-Ratings, Studien und Datenbanken.

Allein der Wirtschaftsdienst Thomson Reuters stellt Nachhaltigkeits-Ratings für über 4.000 Firmen zur Verfügung und beschäftigt mehr als 120 Angestellte speziell für dieses Thema. Aus Reputationsgründen geben viele Unternehmen die Daten in eigenen CSR-Berichten („Corporate Social Responsibility”) freiwillig preis.

Nachhaltigkeit ist gut für die Rendite

Studien zufolge erzielen Unternehmen, die Nachhaltigkeitskriterien einhalten, oft eine überdurchschnittliche Rendite. Dies ist auch leicht nachvollziehbar: Unternehmen, die sozial und ökologisch verantwortlich handeln, genießen einen guten Ruf bei Kunden und Kreditgebern, was wiederum die Motivation der Mitarbeiter und des Managements fördert. Verstöße gegen ethische und ökologische Normen werden dagegen weltweit verstärkt mit Auflagen und Geldstrafen geahndet.

Fondsmanager und Index-Betreiber stellen ihr Nachhaltigkeitsportfolio aber nach sehr unterschiedlichen Methoden zusammen. Die einen arbeiten mit Negativlisten, die zum Beispiel Engagements in bestimmten Branchen wie Waffenhandel ausschließen.

Andere Produktanbieter setzen auf positives Screening. Dazu gehört auch der bei vielen Nachhaltigkeitsindizes, wie dem „Dow Jones Sustainability Europe Index“, angewandte “Best-in-class”-Ansatz. Hier werden jeweils die nachhaltigsten Unternehmen der einzelnen Branchen identifiziert. Bei einigen Branchen führt dieser Ansatz dazu, dass das "am wenigsten schädliche" Unternehmen ausgewählt wird.

Der „Nachhaltigkeitsstempel“ wird damit aber in der Investmentbranche vielen Produkten leichtfertig aufgedrückt, meist aus Marketinggründen, um den lahmenden Vertrieb anzutreiben. Kurios wird es, wenn sogenannte Carbon-Overlays angeboten werden: Dabei kauft der Anleger Emissionsrechte, mit denen er das Portfolio CO2-neutral stellen kann. Dies ist schon sehr weit weg von der Grundidee des nachhaltigen Investierens und hilft eher den Banken als der Umwelt.

Unübersichtlicher Markt fordert den Anleger


Das Angebot nachhaltiger Anlageprodukte wächst weiter. Was fehlt ist leider mehr Übersichtlichkeit und Transparenz. Hilfreich für Verbraucher wäre ein verlässliches Qualitätssiegel für nachhaltige Investmentprodukte, wie es das Forum Nachhaltige Geldanlagen schon seit geraumer Zeit plant.

Letztendlich bleibt aber jeder Einzelne gefordert, für sich zu entscheiden, wie er Nachhaltigkeit definiert. Anleger sollten Produktstrukturen und Anlagebedingungen hinterfragen sowie bei Bedarf Beratung in Anspruch nehmen. Nur so kann das Depot neben der Rendite auch nach ökologischen und ethischen Kriterien nachhaltig werden.

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