LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Lesedauer: 9 Minuten

Rohstoffe Sal. Oppenheim: Ölpreis-Verfall stützt die Wirtschaft

Seit Mitte 2014 ist der Ölpreis um rund 70 Prozent gesunken (Abbildung 1). Nach Lehrbuchmeinung müsste ein derart großer Preisrückgang des wichtigsten Rohstoffs der Welt positiv zum globalen Wachstum beitragen, da er wie eine Steuersenkung wirkt. Derzeit wird dieser Preisverfall von vielen Marktteilnehmern aber mit großer Sorge betrachtet und als potenzieller Vorbote einer Rezession gedeutet. Würden die Verluste der Produzenten in toto nämlich schwerer wiegen als die Gewinne der Konsumenten, wäre ein niedriger Ölpreis kein Konjunkturstimulans, sondern möglicherweise der Auslöser einer Rezession. Diese Erwartung scheint der aktuelle Gleichlauf von Aktienkursen und Ölpreis nahezulegen. Daher möchten wir hier der Frage nachgehen, was der Ölpreisverfall für die Weltwirtschaft bedeutet.



Gründe für den Ölpreisrückgang

Abschätzen lassen sich die Folgen des Ölpreisverfalls nur, wenn man den Ursachen des Preisrückgangs auf den Grund geht. Daten der Energy Information Administration der USA zeigen deutlich, dass die aktuelle Entwicklung vor allem durch eine starke Ausweitung des Angebots an Rohöl geprägt ist (Abbildung 2). Ein wesentlicher Treiber hierfür sind beispielsweise die unkonventionellen Fördertechniken (Fracking) in den USA. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Öl recht stabil ist. So bewegen sich die Ölimporte in China immer noch in einem Aufwärtstrend. Anders als teilweise unterstellt, lässt sich der Rückgang des Ölpreises also nicht mit einer rückläufigen Nachfrage – beispielsweise aus China – erklären. Es handelt sich bei der aktuellen Entwicklung also in erster Linie um einen positiven Angebotsschock.



Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Produzenten ihr Angebot in Erwartung einer stärker steigenden Ölnachfrage ausgebaut haben – zu einer Zeit, als der Ölpreis jenseits der 100 US-Dollar/Barrel notierte. Die tatsächliche Nachfrage nach Rohöl enttäuschte dann, gemessen an den hohen Erwartungen.

Aussichten für den Ölpreis

Obwohl der Ölpreis so stark gefallen ist, liegt er in den meisten Fördergebieten immer noch über den Grenzkosten der Produktion. Außerdem ist das (vorübergehende) Schließen von Ölquellen auch mit Kosten verbunden. Das erklärt, warum die Ölproduktion immer noch nicht zurückgefahren wurde. Hinzu kommt, dass nach Abschluss der Atomverhandlungen mit dem Iran ein weiterer Produzent auf den Markt kommt, der das weltweite Ölangebot nochmals um bis zu 1 Prozent steigern könnte.



Allerdings spricht die Tatsache, dass die aktuellen Preise unter den Durchschnittskosten der Ölproduktion liegen, gegen eine anhaltende Ausweitung des Angebots. Denn in den Fördergebieten unterbleiben derzeit zahlreiche Investitionen, was mittelfristig zu einer Verknappung des Angebots und damit zu einem Preisanstieg führen sollte. So ist in den USA seit Mitte 2014 die Zahl der aktiven Bohrköpfe um rund ein Drittel gesunken. Wir gehen davon aus, dass der folgende Ölpreisanstieg umso stärker ausfallen dürfte, je länger die aktuelle Niedrigpreisphase anhält und folglich die Investitionen in neue Fördergebiete unterbleiben.

Zudem besteht auch auf politischer Seite ein Interesse an steigenden Ölpreisen. Zahlreiche Staaten in den arabischen Fördergebieten benötigen Preise weit jenseits der 70 US-Dollar/Barrel, um ihre Staatshaushalte auszugleichen, in die der niedrige Ölpreis tiefe Löcher gerissen hat. Insofern nimmt der Druck zu, wieder kartellhaft aufzutreten und gemeinsam für eine (künstliche) Verknappung des Angebots zu sorgen.

Diese Faktoren führen nach Einschätzung unserer Rohstoffexperten dazu, dass sich der Ölpreis auf Jahressicht wieder in Richtung 40 bis 50 US-Dollar/Barrel bewegen wird.

Tipps der Redaktion